Theaterkonzertkritik: Der Glanz der queeren Pioniere
Taylor Mac ist zurück in Berlin. Nach der umjubelten Konzertperformance „A 24-Decade History of Popular Music“ gibt’s in „Bark of Millions“ neue Songs und neuen Glitter zur Feier queerer Gallionsfiguren.
Die Mädchen von San Domino also: Von ihnen singen die Menschen auf der Bühne, mit merkwürdig verstellten Stimmen in hinreißenden Kostümen, die wirken, als hätte jemand einen Musical-Theaterfundus explodieren lassen und die Trümmer mit dem Heißkleber zu neuen Kreationen zusammengefügt. Je länger das italienische Lied dauert, desto wilder wird’s. Jack Fuller, Sean Donovan, Taylor Mac und all die anderen illustrieren die Verse mit Gesten und Mimik – schon wird aus der harmlosen Geschichte von den abendlichen Tänzerinnen das Bild einer wilden Orgie; dazu drehen sie sich ausgelassen und grotesk, als wäre der Geist der Commedia dell’arte in sie gefahren. Der Saal tobt.
Taylor Mac ist in Deutschland und zeigt – nach Sydney, New York, Berkely – die Europapremiere der neuen Produktion „Bark of Millions“ zum Auftakt der Performing Arts Season der Berliner Festspiele. Zusammen mit Matt Ray hat judy (das ist Macs Pronomen) hier eine Art „Great Queer Songbook“ (analog zum „Great American Songbook“) geschaffen: 55 Lieder, die sich vor queeren Pionier*innen verneigen, vor Dichter*innen und Sänger*innen, Märtyrer*innen und Gött*innen. Das Tolle: Die Texte sind von einer poetischen Dichte, wie man sie in Pop-Lyrics eher selten findet, voll feiner Rhythmen, queerer Wortspiele, innerer Bezüge.