Buchkritik: „Er muss mir recht geraten“

Buchkritik: „Er muss mir recht geraten“

Mamsi und ich. Die Geschichte einer Befreiung – Die Autobiographie des Theaterkritikers C. Bernd Sucher

Loben ist eine Kunst. Eltern wissen das. Kritiker*innen auch. Wer alles akklamiert, läuft Gefahr, die Maßstäbe zu verwischen, die Wertschätzung zu entwerten. Wer aber zu wenig lobt, zerstört. Wirklich? „Der Tadel meiner Mutter war der Kraftstoff, der meinen intellektuellen und emotionalen Motor speiste“, schreibt C. Bernd Sucher in seiner Doppel(auto)biografie „Mamsi und ich“. Klingt ja erst mal gut.

Der Motor lief schließlich auf Hochtouren: Sucher war in den 80er und 90er Jahren einer der führenden Kritiker der Republik, leitender Theaterredakteur der Süddeutschen Zeitung, mehrmaliger Theatertreffenjuror, Buchautor. Er gründete vor gut 20 Jahren den Münchner Studiengang Theater- Film- und Fernsehkritik und leitet ihn als Professor bis heute, reist außerdem mit „Suchers Leidenschaften“ im Dienst seiner Lieblingsautor*innen durch die Welt.

Eigentlich verbietet es sich ja, Werke von Menschen zu rezensieren, mit denen einen gemeinsame biografische Wege verbinden. Hier liegt die Sache komplizierter. Denn „Mamsi und ich“ wurde für mich – abgesehen davon, dass es ein wirklich spannendes Buch ist, man rast über die Seiten – eine Schlüssellektüre. Ich habe 2006 bis 2008 bei C. Bernd Sucher in München studiert, dabei Vieles gelernt, das ich heute wiederum an meine Studierenden weitergebe. Etwa, dass starke, also gewählte Verben der Schlüssel einer sinnlichen Beschreibung sind. Aber ich, ja, wir alle, die wir den Schilderungen seiner Gipfelerstürmungen lauschten, haben selbst wenig Lob, wenig Anerkennung für eigene Erfolge erfahren.

Warum? Die Antwort steht im Buch. Hier lernt man einen Getriebenen kennen, der sein Leben lang um Liebe kämpft. Um die Zuneigung, die Bewunderung einer Mutter, die ihm beides verwehrt. Es ist die Geschichte einer zutiefst Traumatisierten, die dieses Trauma an ihren Sohn weiterreicht. Margot Sucher, geborene Artmann, stammt aus einer großbürgerlich säkular-jüdischen Familie. Aus einem Leben in größtem Komfort werden sie und ihre Mutter nach dem allmählichen Verlust ihrer bürgerlichen Rechte deportiert. Suchers Großmutter stirbt im KZ, Margot erlebt Entsetzliches: Willkürmorde, körperliche Misshandlungen, unzählige Vergewaltigungen.

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