Theaterkritik: Wirrwarr der Worte

Theaterkritik: Wirrwarr der Worte

Jan Bosses Inszenierung von Shakespeares „Sturm“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters leidet an einer anstrengenden Neuübersetzung – und bleibt an der Oberfläche.

Anfangs ist die Bühne leer. Doch dann kommen Prospero, zahnlos und mit strähnigem Haar, und sein Luftgeist Ariel und setzen die Maschinerie in Gang: zaubern Licht und Schatten, Klänge und Bewegungen, lassen die Windmaschine und die Drehbühne rotieren. Der Witz: Prospero bemüht zwar die großen Gesten. Aber es ist Ariel, der all das bewirkt.

Dass Prosperos vermeintliche Zauberkunst reinstes Theater ist, macht Regisseur Jan Bosse an den Kammerspielen des Deutschen Theaters also von Anfang an klar. William Shakespeares letztes Stück „Der Sturm“ über Prospero, dem gestürzten Herzog von Mailand, der auf einer Insel darauf wartet, endlich Rache zu nehmen an seinem verräterischen Bruder, steckt voller Bühnenmetaphern. Nicht zuletzt ist es eine Abhandlung über gute und schlechte Herrscher.

Natürlich kommt das auch in Bosses Inszenierung vor, die bereits bei den Bregenzer Festspielen zu sehen war: Am Ende versöhnt Prospero sich mit seinen Feinden, zwischendrin entwirft der Ratsherr Gonzalo seine berühmte Staats-Utopie. Allerdings geht vieles davon im Gewimmel unter. Denn in Stéphane Laimés großartigem Bühnenbild – aus dem Bühnenhimmel fallen unzählige Taue, die mal Urwalddickicht sind, sich dann zu einem einzigen Baumstamm verbinden und Ariel zu Seilakrobatik verführen – stolpern die sechs Spieler in zehn Rollen ziemlich grobkomisch umher.

Dass man oft damit beschäftigt ist, sie zu verstehen, liegt im Wesentlichen an Jakob Noltes Neuübersetzung, die so streng Shakespeares Wortlaut folgt, dass sie die gesamte Grammatik übernimmt. Aus „Do you love me?“ wird so „Tust du lieben mich?“ Das lässt zuweilen ungewohnte Sprachbilder entstehen. Die meiste Zeit aber wirkt es anstrengend, pubertär und lenkt ab von all den Themen, die eben auch in diesem Text stecken: die Grenzen der Aufklärung, der Kolonialismus, das Sich-Untertan-machen der Natur.

Zwar geht die Inszenierung auch darauf ein, wenn die Spielenden den Seilwald allmählich zumüllen und Prospero so abgewrackt, fadenscheinig und oft auch verbittert wirkt, dass man ihm weder ein Herzogtum noch eine Insel anvertrauen würde (am Ende wirkt er geradezu überfordert von der etwas flachen Pop-Glückseligkeit der jungen Generation). Nur kommt das wegen der Sprach-Barriere kaum zur Geltung. Und auch die gröberen körperlichen Späße der Adiletten-Antihelden Trinculo und Stephano helfen da nicht weiter.

Im Wirrwarr der Worte und Seile kann sich vor allem Wolfram Koch ein Profil erspielen, der als Prospero so grimmig herumstiert, dass man sich nie sicher ist, ob man hier einem alten weißen Mann auf Rachefeldzug zuschaut oder einem Gebeutelten, der mit aller Kraft versucht, das Schicksal zu korrigieren. Linn Reusse und Jeremy Mockridge sieht man gerne beim rauschhaften Verlieben zu. Lorena Handschin singt als Ariel anrührend zu Carolina Bigges Live-Musik. Und doch kratzt das alles nur an der Oberfläche des „Sturm“-Kosmos, dessen Konflikte eine klare Sprache verdient hätten.