Theaterkritik: Monologe werden mit dem Staubsauger abgewürgt

Theaterkritik: Monologe werden mit dem Staubsauger abgewürgt

Was man tun kann, wenn alles gesagt ist: Autor und Regisseur Malte Schlösser inszeniert „IN:KON:SIS:TEN:ZEN“ im TD Berlin

Eigentlich ist alles gesagt. Worüber sprechen, wenn ohnehin alles schon zerredet wurde, im Theater wie im medialen Dauerrauschen? Vielleicht erst mal: schweigen. Wie die drei Schauspieler, die auf die leere Bühne kommen. Sie blicken uns an, neugierig – und gehen wieder ab. Kommen erneut, winken, bilden mit ihren Händen Herzen. Dann hetzt Bettina Grahs in ihrem Monolog durch die Themen Erfolgsgesellschaft, Selbstoptimierung, Karrierestreben. Keine zehn Minuten sind vergangen, schon scheint alles ausgesprochen.

Und nun? Autor und Regisseur Malte Schlösser mischt seit gut 15 Jahren Berlins Freie Szene mit seinen pointierten Textflächen auf, in denen er die aktuellen Debatten und Diskurse zu oft ironischen, manchmal auch abgründigen Tiraden vermengt. So auch in „IN:KON:SIS:TEN:ZEN“ im TD in der Klosterstraße (früher Theaterdiscounter). Der kompliziert gesetzte Titel verweist auf das Fragmentarische, Stückhafte des Abends. Denn wovon kann man erzählen, wenn alles gesagt ist? Zum Beispiel vom Wunder, bühnenwirksam zu scheitern. Da orgelt das Licht auf der leeren Bühne, da wird die Vierte Wand (also die zum Publikum) ebenso durchbrochen wie die zur Hinterbühne, obwohl da groß Rot auf Weiß steht: „Bitte nicht anfassen!“ Da kämpft Felician Hohnloser mit dem Ton seines Mikroports, rutscht Emma Rönnebeck auf einer Banane aus, landet unter einer Leiter, ruft die Polizei zur Hilfe: „Ich liege unter meiner Karriereleiter! Ich wollte hoch, aber ich schaff’s gerade nicht.“

Natürlich liegt unter all dem Slapstick und Witz immer mindestens eine weitere Bedeutungsebene, die sich ebenso lustvoll wie verzweifelt daran abarbeitet, dass der Erfolgsdruck hoch ist – in der Kultur wie in der Gesellschaft. Die Konsequenz? Verweigerung! Einmal demonstriert Rönnebeck ihre künstlerische Selbstausbeutung, indem sie einen Flyerständer (angeblich spielt sie in all diesen Produktionen) wie ein niedliches Haustier hinter sich herzuckelt. Dann wieder wird ein blühender Baum herbeigeschleppt, als könnten die drei die Leere nicht ertragen. Hohnloser saugt Staub und würgt damit die Monologe der anderen ab. Die Souffleuse grätscht rein, ohne dass jemand reagiert. Schließlich formieren sie sich zu einem Kritik-Terzett, bewerten den Abend floskelreich: „eine waaahnsinnig schöne Vorstellung“.

Hinter all den hinreißenden Versuchen, in 100 Minuten Zeit und Bühne zu füllen, steckt die Sehnsucht nach einem Gelingen, nach einem Sinn, einer Aussage. Dass diese scheinbar willkürliche Szenenfolge aufgeht, man sie als schlüssig wahrnimmt, liegt auch am großartigen Schauspiel-Trio: Hinter Grahs’ skeptisch-ironischem Blick, Rönnebecks Körperslapstick und Hohnlosers Scheinnaivität öffnen sich Welten. Wenn sie am Ende schweigen und Bilder die Bühne übernehmen – Fotografien von Simon Hegenberg, die merkwürdig zerlaufen, sich auflösen wie die Sinnzusammenhänge im Stück – dimmt „IN:KON:SIS:TEN:ZEN“ melancholisch runter. Längst ist alles gesagt. Aus den Trümmern aber strahlt geheimnisvoll die Botschaft, dass auch ein Abend übers Scheitern gelingen kann.