Theaterkritik: Generation Smartphone verliert den Faden

Theaterkritik: Generation Smartphone verliert den Faden

Künstliche Intelligenz und genderfluide Wesen: Max Lindemann inszeniert Sibylle Bergs „Es kann doch nur noch besser werden„.

In der Zukunft, wenn die Künstliche Intelligenz und die Tech-Konzerne die Welt beherrschen, bleibt dem Menschen nicht mehr viel zum Leben. In der Basisversion (Guthaben: 100 Punkte) gibt’s immerhin noch Partys in Innenhöfen, auch wenn sonst alles dahinschwindet, Jobs, Wohnungen, Sinn, Verbundenheit. Wenn man aber runtergestuft wird, vegetieren die Menschen nurmehr vor sich hin, werden ihre Körper mit Infusionen ernährt oder gleich ausgeweidet.

Das ist die Idee von Sibylle Bergs neuem Stück „Es kann doch nur noch besser werden“: Weil wir der KI die Macht überlassen und uns selbst mit den Sozialen Medien verblödet haben, stolpern wir nun staunend durch eine Katastrophe, die Leben heißt. Dabei ist auch jede Individualität verloren gegangen: Es gibt nur noch die Sprechenden namens Person und die namens KI, die das Geschehen kommentieren.

„Es kann doch nur noch besser werden“ ist ein Auftragswerk des Berliner Ensembles. Man hat diese dystopischen Fantasien, diese Überspitzungen all der Baustellen der Gegenwart schon oft bei Berg gelesen, in ihren Roman-Bestsellern „GRM“ und „RCE“, Stücken und Kolumnen. Nur gab es dort oft Momente, wo der Furor, mit dem Berg die Schlimmste aller möglichen Welten ausschmückte und damit oft genug nah an der Wahrheit blieb, in grimmigen Witz kippte, auf schmerzhafte Weise komisch war. In ihren vier Stücken etwa, die Sebastian Nübling mit Rhythmus und chorischem Sprechen am Gorki Theater inszeniert hat und die allesamt zu Publikumsrennern wurden.

Nun also: Ein neues Berg-Stück – und erhöhte Promidichte im BE-Hof. Im Neuen Haus steht mitten im Spielflächenrund ein Podest mit Rasenrand, hinten wölben sich Leinwände, von denen Bilder digitaler Landschaften leuchten. Später glitcht und flackert und rauscht es dort, wenn sich die Welt zunehmend auflöst.

Davor widmen sich drei Menschlein – Nina Bruns, Lili Epply und Jonathan Kempf – dem großen, staunenden Lamento, in dem sie (als Generation Smartphone, das ihnen immer an der Hand klebt) ständig den Faden verlieren. Um sie staksen Amelie Willberg, Perra Inmunda und Meo Wulf als KI-Verkörperungen, genderfluide Wesen, die wie eine Mischung aus Außerirdischen und Meerjungfrauen wirken und alle Register der Drag-Performance ziehen. Das klingt auch deshalb gut, weil Olan! am Bühnenrand einen ziemlich coolen Soundtrack webt.

Da ist der wieder, der Rhythmus, den Berg-Abende brauchen. Und das, was man auf der Bühne sieht, ist von Regisseur Max Lindemann und Ausstatter Sita Messer durchaus kunstvoll gearbeitet. Den Drag-KI beim Stöckeln, beim Blockflöten-Playback und beim Nachspielen absurder Social-Media-Phänomene zuzuschauen, macht sogar Spaß!

Nur ist das, was die Figuren von sich geben, zunehmend ermüdend. In ihren motorisierten Gesten und ihrem ausdrucksarmen Sprechen, das wirkt, als entschwinde beständig alles Individuelle aus ihnen, verheddert sich kein Interesse, kein Mitleid, keine Erkenntnis. Die Welt ist schlecht und wird immer schlechter – ist das wirklich ein Handlungsgerüst für 80 Minuten? Manchmal blitzt er auf, der Berg’sche Humor, etwa wenn die KI holprig zu reimen beginnt. Zu selten.