Kolumne: Im Schlepptau

Kolumne: Im Schlepptau

Dragqueens sind Kunstfiguren aus Make-Up und Glitter, auf Partys und in Shows, auch in der Freien Szene und im Stadttheater. Jetzt finden sie sich zunehmend in den Schusslinien der Identitätsdebatten wieder.

Woher kommt eigentlich der Hass auf Dragqueens? Früher, als Travestiekünstler wie Georg Preuße und Reiner Kohler noch als Mary und Gordy die Bühnen beherrschten, lagen ihnen die Menschen zu Füßen. Heute müssen Dragqueens damit rechnen, beleidigt oder verprügelt zu werden, nicht nur dann, wenn sie Kindern Geschichten vorlesen. Und wenn ein Rapper wie Fler es wagt, ein Selfie mit einer Dragqueen zu posten, folgt ein Shitstorm.

Was ist da schiefgelaufen? Vermutlich geraten Dragqueens, diese Kunstfiguren aus Make-Up und Glitter, in die Schusslinie der Identitätsdebatte, weil die Schießenden – Rechtsidentitäre, Erzkonservative, Maskulinisten und alle, die fest daran glauben, dass Männer vom Mars und Frauen von der Venus sind – alles geschlechtlich Nicht-Eindeutige in einen Hass-Topf werfen, nicht unterscheiden zwischen dem Als-ob einer Dragqueen, trans Menschen und Enbies (wobei eine Unterscheidung den Hass nicht besser machen würde, klar).

Dabei hat die Identität der einen nichts mit dem Als ob von Dragqueens und Dragkings zu tun, die ja Theater sind, Verwandlung – nach der Show, Party, Pride-Parade wird abgeschminkt. Der Begriff drag soll auf Shakespeare zurückgehen (angeblich schrieb er drag – dressed as a girl – in die Anweisungen seiner Dramen; vielleicht kommt der Begriff aber auch nur vom Schleppen der üppigen Kostüme). So genommen wäre jeder Geschlechterwechsel auf der Bühne drag, und so werden sie in jüngster Zeit inszeniert (man denke nur an all die „Was ihr wollt“-Abende landauf landab, gerade erst in Mannheim und München wieder): knallbunt und ziemlich queer.

Aber Obacht: Nicht jeder Mann, der auf der Bühne vermeintliche Frauenklamotten anzieht, ist drag. Denn anders als die Travestiekünstler alten Schlags haben Dragqueens einen fixen Namen, eine Persona, eine Charakterpalette – und oft auch eine Botschaft. Man kann das wunderbar in RuPauls Fernsehshow „Dragrace“ beobachten (gibt’s jetzt sogar in einer deutschen Version), in der die Bewerber:innen in den unterschiedlichen Kategorien gegeneinander antreten.

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