Theaterkritik: Lachen, Staunen, Wunden lecken

Theaterkritik: Lachen, Staunen, Wunden lecken

Ein bekannter Choreograf, der eine Kritikerin angreift: Dieser Skandal liegt der „Hundekot-Attacke“ von Wunderbaum zu Grunde, der vor seiner Weiterreise zum Berliner Theatertreffen zunächst beim Heidelberger Stückemarkt zu sehen ist.

Was ist denn das? Da trippeln sechs Menschlein in merkwürdigen schwarzen Kostümen über die Bühne, wuseln mit den Händen über ihren Köpfen, wischen damit im Gesicht herum, lassen sie unter der Nase flattern: Gestank! Dann fiedeln und zupfen und blasen sie in der Luft, als spielten sie die hübsch schräge zeitgenössische Klassik, die aus den Boxen dröhnt. Plötzlich singen sie „I’m sorry“. Pina Bergemann windet sich am Boden, röchelt als Desdemona im Todeskampf. Dann: Blumen, Verbeugen, Applaus.

Was, doch nicht Schluss? Stattdessen: Pop-Choreo und Action Painting: Sie breiten eine weiße Plane aus und Anna K. Seidel lässt den von der Decke baumelnden Farbtopf kreisen. All die kleinen Tropfen bilden auf dem Boden eine Vulva. Schließlich brüllen alle im Chor: „Macht. Power. Macht der Power“. Es ist entsetzlich.

Und himmelschreiend komisch. Denn diese Parodie auf Neo-Avantgarden und den zeitgenössischen Tanz bilden ja nur die letzten 15 Minuten von“Die Hundekot-Attacke“ vom Theaterhaus Jena. Dort übernahm 2018 ein Team um Wunderbaum die Leitung, und auch, wenn sich die niederländische Gruppe 2022 zurückzog, hat nun Wunderbaum-Mitbegründer Walter Bart Konzept und Regie für den vermutlich folgenreichsten Theaterabend des Theaterhauses Jena entwickelt: Heidelberg-Gastspiel, Theatertreffen-Einladung, 3sat-Preis. Alles völlig verdient.

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