Kolumne: Kantersiege eines Männersystems

Kolumne: Kantersiege eines Männersystems

Queer Royal – Georg Kasch öffnet das Schwarzbuch der Geschlechterungerechtigkeit auf deutschsprachigen Bühnen

Ich bin Feminist. Das war nicht immer so. Früher hatte ich den Eindruck, ich kenne so viele Frauen, die was können und wollen, die brauchen meine Unterstützung nicht, die schaffen das auch alleine. Aber das ist ein ebenso dummer Gedanke wie der, das queer nur was für Homos ist. Man muss nur mal auf die Zahlen gucken. Statistisch gesehen bekommen Frauen in Deutschland für jeden Euro, den Männer verdienen, 79 Cent. Oder: Nur fünf Prozent aller Künstler*innen in den Abteilungen für zeitgenössische Kunst in Museen sind Frauen, aber über 85 Prozent der Akte sind weiblich.

Am Theater, das ja immer wieder gut darin ist, in „Nora“-Inszenierungen mahnend den Finger zu heben und in Niedriglohnjobs wie dem der Soufflage vor allem Frauen einzustellen, sieht es auch nicht so viel anders aus. Die Premieren, die im März in Deutschland, Österreich und der Schweiz über die Bühne gehen, verantworten zu 31 Prozent Regisseurinnen. Dass sich dieses Drittel nicht beim Berliner Theatertreffen abbildet, obwohl zum ersten Mal mehr Frauen als Männer in der Jury sitzen, begründet eine Jurorin damit, das viele Regisseurinnen oft an kleineren Häusern und in den Nebenspielstätten arbeiten.

Dazu ein kleiner Zahlencheck: Das Geschlechter-Regie-Verhältnis liegt in dieser Spielzeit bei den Premieren am Deutschen Theater Berlin bei 23:6, an der Wiener Burg bei 16:6, an der Berliner Schaubühne bei 7:2. Eine Intendantin macht noch keine Quote, das zeigt der Blick an Karin Beiers Deutsches Schauspielhaus in Hamburg (12:7), an Barbara Freys Zürcher Schauspielhaus (14:6) und Anna Badoras Volkstheater Wien (17:10). Bei den Stichproben kamen nur Shermin Langhoffs Berliner Gorki mit 9:9 und Juliane Vottelers Theater Augsburg mit 5:5 in der Schauspielsparte auf den Gleichstand. Wenn man übrigens das Verhältnis Haupt- und Nebenbühne berücksichtigt, werden die Zahlen tatsächlich oft noch mieser (selbst im Gorki gibt’s auf der Hauptbühne „nur“ ein 8:4). Auch ein Blick auf die Themen lohnt: Am Gorki zum Beispiel wird in Abenden wie Und dann kam Mirna und „Stören“ öffentlich verhandelt, was es heißt, Frau zu sein, in Augsburg bleibt das der Repertoire-„Geierwally“ vorbehalten. Zur Ästhetik des weiblichen Bühnenauftritts hat mein Kollege Leopold Lippert vor zwei Jahren schon Wesentliches gesagt.

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