Theaterkritik: Früher war mehr Kartoffelsalat

Theaterkritik: Früher war mehr Kartoffelsalat

Die Entführung Europas – Am Berliner Ensemble leitartikelt Alexander Eisenach einen schwarzweißen Noir-Krimi als Heiner-Müller-Hommage

Was macht Europa im Kongo? Sie ist das humanistische Feigenblatt einer maßlosen Eroberung. Hübsch immerhin sieht sie aus, hier im Kleinen Haus des Berliner Ensembles, wie ein Revuestar der 1920er mit Sternenkrone und goldglänzendem Faltenwurf. Rührend auch, dass Schauspielerin Stephanie Eidt sich mit ihren ausladenden Strahlen immer nur seitwärts auf die Vorderbühne schieben kann – denn die zwei winzigen Türen auf der schwarzweißen Schachbrettmusterbühne von Daniel Wollenzin sind selbst für Normalsterbliche nur gebückt benutzbar. Also muss sie immer vorne zwischen Bühnenkasten und Portal durch.

Schwarzweiß, weil Alexander Eisenachs „Die Entführung Europas oder Der seltsame Fall vom Verschwinden einer Zukunft“ vorgibt, ein Krimi in der Tradition des Film Noir zu sein. Und in der Tradition von Heiner Müller: Lange, bevor er BE-Intendant wurde, vielmehr gerade aus dem DDR-Schriftstellerverband geworfen worden war (ein De-facto-Berufsverbot), schrieb er unter dem Pseudonym Max Messer das Noir-Krimihörspiel „Der Tod ist kein Geschäft“. 1962 produzierte der DDR-Rundfunk den düster dräuenden Genre-Ausflug.

Max Messer heißt jetzt auch Eisenachs Detektiv, der nach der offenbar entführten Europa sucht, Geliebte des Syndikatchefs Jupiter Kingsby. Sie gleicht auffällig Messers Frau Grace, die sich das Leben genommen hat (wie Heiner Müllers zweite Frau Inge), jetzt aber dennoch mit ihm diskutiert, rauchend natürlich. Messer ist zwar Detektiv, aber in erster Linie auf der Jagd nach Geschichten. Was in seinem Kopf passiert und was real, ist zweitrangig.

Schließlich geht es hier um Ideen, um den Zustand Europas und der Welt, um den Sieg des Kapitalismus, um (Post-)Kolonialismus, Flucht und Moral. Weshalb die Story auch keine ist, sondern eher ein wildes Mäandern, das wirkt, als hätte Eisenach es dazu erfunden, möglichst viele Müller-Spuren zu legen.

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