Theaterkritik: Macbeth unter Nazis
Die Verdammten – Am Berliner Ensemble erzählt David Bösch frei nach Visconti vom aufhaltsamen Abstieg einer deutschen Industriellenfamilie
Berlin, 3. November 2018. Einmal spricht Friedrich Bruckmann tatsächlich „Macbeth“-Worte: „Ist das ein Dolch, was ich vor mir erblicke, Der Griff mir zugekehrt? Komm, lass dich packen!“ Denn darauf läuft hier alles hinaus: Ein Emporkömmling wird anfangs dazu gedrängt, durch Mord seine Chance zur Macht zu ergreifen, seine Lady spricht ihm gut zu. Dann muss er wieder morden, beginnt Geister zu sehen. Schließlich werden beide abserviert. Das alles vor der Kulisse des Dritten Reiches, dessen Vertreter hier die besseren Karten haben. Moral: Die Palastrevolution frisst ihre Kinder. Am Ende siegen immer die Nazis.
Politparabel mit Schwulst
So ungefähr erzählt David Bösch den Plot von Luchino Viscontis Film „Die Verdammten“ von 1969 nach. Das Werk, das auf die Krupp-Familie und ihre Verstrickung in den Nationalsozialismus anspielt, ist mehr Melodram als historische Analyse, schwelgt in opernhaftem Übertreibungspathos und führt politische und sexuelle Perversion bedenklich eng. Bösch fegt am Berliner Ensemble all das Verschwenderische, Schwülstige, allen Kulissenzauber und raffinierten Luxus beiseite, um klarer den politischen Gehalt herauszuschälen: Wer so skrupellos moralische Grundsätze beerdigt wie viele Mitglieder der Familie Essenbeck, geht am Ende selbst unter.
Aber taugt das für einen großen Abend? Wenn endlich die Macbeth-Worte fallen, merkt man erst, was einem bis dahin gefehlt hat – ein starker, poetischer Text mit Untiefen. Die gestelzten Dialoge gehören zu den Schwächen des Films, von der Szene im Gestapo-Archiv vielleicht abgesehen, wo momentweise der Wahnsinn des NS-Systems aufblitzt, in dem jeder jeden bespitzelt.