Kurzkritik: Kalter Rausch

Kurzkritik: Kalter Rausch

Am Deutschen Theater verrührt Sebastian Hartmann Knut Hamsun mit Henrik Ibsen zu ­einer diffusen Seelenschau

Achtung: Kunst!, ruft dieser Abend. Und fährt schweres Geschütz auf: Nebel dampft, Akkorde wummern, Scheinwerfer blenden auf und ab, am Ende regnet es auch noch. Währenddessen entsteht hinten auf drei riesigen Leinwänden ein Bild in Schwarzweißgrau, eine zunehmend abstrakte Landschaft.

Sie ist das beeindruckendste Resultat von Sebastian Hartmanns gut dreistündiger Inszenierung am Deutschen Theater, die Motive aus Knut Hamsuns „Hunger“-Roman von 1890 zelebriert, der mehr Seelen- und Symptomschau ist als Handlung: verwirrte Zustände, Einflüsterungen, Erscheinungen, Rausch. Dazu gibt’s wenige Szenen aus Henrik Ibsens „Peer Gynt“-Drama, Peers und Aases Fantasiereisen etwa.

Als Materialsammlung mag das spannend sein, als Vorlage für einen Theaterabend bleiben die Texte blutleer, zumal man Vieles ohnehin nur schwer versteht. Große Schauspieler wie Manuel Harder, Marcel Kohler, Linn Reusse und Almut Zilcher staksen in scheintätowierter Haut, unter Hüten und in Kleidern umher, die wie eine groteske Verzerrung des 19. Jahrhunderts wirken. Erscheinungen sind sie, keine Figuren. Statt Handlung gibt es Atmosphären auf dem schmalen Grat zwischen monumentaler Geste und Peinlichkeit. Manches Bild – Schattenrisse im Nebelmeer – wirkt groß. Der Hunger nach Theater aber bleibt ungestillt.