Kurzkritik: Die Nacht von Lissabon

Kurzkritik: Die Nacht von Lissabon

Hakan Savaş Mican gelingt ein großer Abend am Gorki

Eigentlich klingt das alles nach einem ­deprimierenden Abend: Romanüberschreibung! Fluchtgeschichte! Liebe ohne ­Happy End! In „Die Nacht von Lissa­bon“ lässt Erich Maria Remarque das ­zentrale Paar zwar den rettenden ­Hafen erreichen, aber die Frau ist todkrank. Bleibt Josef nur noch, seine Geschichte einem Fremden zu erzählen.

Bei Regisseur Hakan Savaş Mican im ­Maxim Gorki Theater hören wir ­Dimi­trij Schaad zu, der beides ist: Erzähler im Heute und der ­Josef von damals. Schaad ist umwerfend darin, sowohl sich in Figu­ren zu verwandeln als auch eine ­Variation seiner selbst zu performen. Ein Schauspiel-Triumph! Auch deshalb geht Micans Idee auf, die Flucht mit ­eigenen Reise- und Migrationserfahrungen zu überschreiben. Dazu fluten ­Benjamin Kriegs Videobilder die ­nahezu leere Bühne, reiben sich produktiv an der ­Erzählung. Hier muss keine Aktualität ­behauptet werden, hier wird sie sinnlich erfahrbar!

Das auch dank der vierköpfigen Band um Jörg Gollasch und Anastasia Gubareva, die hinreißend singt und als Helen herrlich rätselhaft bleibt. Was für ein Paar, was für ein Drive! Man mag sich gar nicht sattsehen an dieser Emotionalität ohne Kitschrand, diesem erzählerischen Sog.

Einer der schönsten Gorki-Abende seit langem.