Essay: Der lange Schatten des Spardiktats

Essay: Der lange Schatten des Spardiktats

Ein Stadttheater zwischen Geld und Kunst – Georg Kasch über die Anatomie des Schweriner Theaterkrachs

Wenn sich gleich mehrere Ensembles und Gruppen eines Hauses gegen ihren Intendanten wehren, ist irgendetwas richtig schief gelaufen. So wie in Schwerin. Im Januar 2018 protestierten die Schauspieler des Mecklenburgischen Staatstheaters zum ersten Mal gegen Generalintendant Lars Tietje, weil er ihnen per Aushang verbot, beim Theaterball „eigenmächtige politische Äußerungen“ zu machen. Im November 2018 wandten sie sich erneut an die Öffentlichkeit, ebenso Ballett und Orchester, jetzt wieder. Ihr Vorwurf: Tietje habe sich für den Maulkorberlass nie richtig entschuldigt, er habe führende Mitarbeiter entlassen, andere seien wegen des Drucks freiwillig gegangen; zugesagte Produktionen – und zwar ausgerechnet die politisch brisanten – und Stellen seien gestrichen, das Repertoire ausgedünnt worden.

Die Aspekte des Machtkampfs

Was ist da los in Schwerin? Schaut man genauer hin, erkennt man gleich mehrere schwelende Konflikte. Den zwischen Kunst und Geld. Den zwischen zwei Führungsmodellen, verkörpert im Schauspielchef und im Intendanten. Implizit auch den zwischen West und Ost.

In Schwerin gibt es jene internen Machtkämpfe, die Falk Schreiber vor einigen Wochen ausführlich beleuchtet hat – Tietje ist zugleich Intendant und Geschäftsführer, ein Mann der Bilanzen und der Strukturen. Schauspieldirektor Martin Nimz versteht sich als Künstler, einer, der die Freiheit schätzt – nur selten hat er sich in seiner langen Karriere fest an ein Haus gebunden.

Diplomat und der Querkopf

Sie sind grundverschiedene Charaktere: Hier der Diplomat, der zu seiner Verteidigung immer wieder Zahlen auffährt, im Gespräch durchaus nachvollziehbar seine Zwänge erklärt – aber auf die eigentlichen Vorwürfe, die seinen Führungsstil betreffen, nicht eingeht. Dort der Künstler, der kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn er sich schützend vor sein Team stellt. Hier der Wessi, dessen größter Erfolg es ist, in seiner 12-jährigen Intendanz das Theater Nordhausen als Musiktheaterstandort gerettet zu haben. Da der Ossi, der seit Jahrzehnten erfolgreich inszeniert, großartige Schauspieler um sich schart, sich zwei Jahre vor der Rente auch gemütlich zurücklehnen könnte. Hier der Intendant, der sich den Vorgaben der Politik verpflichtet fühlt und dem dabei die Personalpolitik zu entgleisen droht. Da der Theatermacher, dem Macht schon immer verdächtig war und der nicht akzeptieren will, dass sein Intendant nicht versucht, mit aller Kraft mehr Geld für die Kunst herauszuholen.

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