Theaterkritik: Rasend und freundlich

Theaterkritik: Rasend und freundlich

Die Eumeniden – Anhaltisches Theater Dessau – Christian von Treskow inszeniert den dritten Teil von Aischylos‘ „Orestie“ als Kampf zwischen Matri- und Patriarchat

„So“, sagt Athene, zündet sich eine Zigarette an und blickt skeptisch ins Publikum. Da sitzen wir, das Volk von Athen, und scheinen die Göttin nicht so recht zu überzeugen. Eben erst hat sie die Demokratie erfunden und die Manipulation unerfreulicher Ergebnisse gleich mit. Außerdem konnte sie von Athen schlimmste Gefahr abwenden, indem sie die Erinnyen, die antiken Rachegöttinnen, so lange bequatschte, bis aus ihnen die freundlichen Eumeniden wurden. Jetzt bauen sich die neuen Schutzgeister als Freiheitsstatuen auf mit Gesetzbuch und Fackel. Klar, die USA, älteste noch existierende Demokratie der Welt, ist in denkbar schlechter Verfassung. Athenes finaler Blick scheint zu sagen: Das hat man jetzt davon, das Mutterrecht für die Volksherrschaft zu opfern. Am Ende kommt immer ein Macho und macht alles kaputt.

Matri- und Patriarchat knallen ordentlich aufeinander in Christian von Treskows „Eumeniden“-Inszenierung im Anhaltischen Theater Dessau. Der Konflikt steht so im letzten Teil von Aischylos‘ „Orestie“ und wird in Walter Jens‘ beschwingt zugänglicher Übersetzung auch deutlich herausgearbeitet: Hier die Erinnyen, die wütend Blutrache fordern. Dort Apoll und Orest, die Jungs, die sich den Muttermord ausgedacht haben.

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