Theaterkritik: Spiel ist Ventil

Theaterkritik: Spiel ist Ventil

Zorro und Wonder Woman – Staatstheater Cottbus – Antonio Latella und Federico Bellini erzählen von Wahrheit, Gerechtigkeit und der Unmöglichkeit, diese Themen zu verhandeln

Die Frage, was Theater zu erzählen vermag, ist vermutlich so alt wie das Theater selbst. Auch, ob es, dessen Voraussetzung ja die Fiktion ist, also die Lüge, überhaupt der richtige Ort ist, um so etwas wie Wahrheit zu verhandeln. Am Staatstheater Cottbus wagen es Regisseur Antonio Latella und Autor Federico Bellini dennoch. Und zwar in zwei Stücken, die nach Superhelden benannt sind, in denen aber die großen Fragen des Lebens und des Theaters gestellt werden: Was ist Wahrheit? Was ist Gerechtigkeit? Und besitzt das Theater die richtigen Mittel, sie zu verhandeln?

In „Zorro“ geraten ein Armer und ein Polizist aneinander, ergänzt von einem Stummen und einem Pferd, die das Gesprochene meist wortlos kommentieren. Vier Spieler fahren aus dem Orchestergraben in weißen Unterwäsche-Einteilern und tauschen regelmäßig die Rollen, wenn sie nicht gerade aus ihnen herausfallen. Alle tragen sie ein Z auf der Brust, Zeichen des titelgebenden Helden, der die Gauner verfolgte und die Armen unterstützte.

Mehr ist da nicht auf der leeren Bühne: vier Menschen, vier Mützen-Typen, Boxhandschuhe, die auf die Härte der sozialen Kämpfe verweisen wie auf die Superheldenkräfte, die es bräuchte, um die Ursachen dieser Kämpfe zu beseitigen. Gerungen wird hier meist mit Worten: In immer neuen Tiraden und Spiegelfechtereien diskutieren je zwei der Spieler die Gründe von Armut und sozialer Ungerechtigkeit, ihre Darstellbarkeit, die Frage von Semantik und Semiotik.

Schnell brummt einem der Schädel von Fragen wie der, wer zuerst da war, der Reiche oder der Arme. Und immer, wenn man das Gefühl hat, Boden unter den Füßen zu kriegen im Verständnis darüber, worum es gerade geht, bauen Latella und Bellini eine neue Volte ein. Oder schicken ihre Spieler in zirzensische Verausgabung. All die Zeitlupen-Kämpfe und Krawall-Choreografien, die grinsende Spielfreude von vier großen Jungs sind ja nicht nur Kontrastmittel, sondern verweisen auf eine der Urformen des Theaters, das reine, unakademische Spiel. Hier werden sie zum Parcours, in dem die Spieler gegen ihre wachsende Verzweiflung bis zur Erschöpfung anzurennen scheinen.

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