Theaterkritik: „Deutsche Helden töten selber“
REIN GOLD – Neue Bühne Senftenberg – Christiane Pohle inszeniert Jelineks Kapitalismus- und NSU-Abrechnung für eine Kino-Ruine an der deutsch-polnischen Grenze neu
Was macht der Tesla auf der Bühne? Ist natürlich kein echter, trotz Lebensgröße. Aufgeblasen steht er rum, bis Brünnhilde die Luft ablässt. Zuvor aber skandieren die Spieler „Autos statt Wälder“ und singen ein Loblied auf das Lithium und auf Elon Musk, der gar nicht so weit weg von hier gerade seine „Gigafabrik“ baut.
Elon Musk steht so nicht in „Rein Gold“ von Elfriede Jelinek, 2013 uraufgeführt. Brünnhilde und ihr Göttervater Wotan streiten, um Schuld und Schulden, Kredite und Kapital und auch um „Das Kapital“ von Karl Marx. Um deutsche Helden (Brünnhilde wartet da noch auf Siegfried, schlagen Sie bei Richard Wagner nach), und – gewagter Sprung – um den NSU. Weil: „Deutsche Helden töten selber.“
Am Golde hängt, zum Golde drängt hier alles, wenn’s sich nicht gerade an nationalen Mordlüsten aufgeilt. 130 Seiten hat Jelinek so beschrieben, von denen Christiane Pohle für ihre Inszenierung nur einige braucht, dafür aber mit ein paar neuen Texten an die Stadt Guben an der Neiße andockt, seit 1945 zwischen Deutschland und Polen geteilt.
Im deutschen Teil steht das Filmtheater Friedensgrenze, ein Stalinismusbau von geradezu neobarocker Pracht, der zur Ruine verfiel und jetzt an ein Anna-Viebrock-Bühnenbild erinnert. Kühl und kellerfeucht zieht es vom rohen Estrich hoch, an den Wänden hängt zerschlissene Wandbespannung. Einmal jagt minutenlang eine Fledermaus durch den Saal. Willkommen in Wallhall, ewige Baustelle, ewige Ruine.
Auf der Bühne hängen zu Beginn Bauplanen, die auch den Tesla, einen Hochsitz, den marmornen Fuß einer Kolossalstatue und das riesige Plakat einer Mai-Nelke im Saal verdecken. Wie vieles andere auch erinnert die Nelke daran, dass das mit Marx hier schon einmal ausprobiert wurde. Da hört man doch gleich noch einmal neu hin.
Pohle hat „Rein Gold“ bereits 2020 in München an den Kammerspielen als Produktion der Otto-Falckenberg-Schule inszeniert. Ihre Gubener Neufassung mit vier Ensemble-Mitgliedern der Neuen Bühne Senftenberg und drei Gästen zapft bewusst die Aura des Raums an, den sie zur Gänze bespielen. Einmal gibt’s eine Kaffeetafel mit DDR-Tassen der 70er Jahre, davor rattert Anna Schönberg das Rezept für den im Osten beliebten Papageienkuchen runter, während Dominik Tippelt sich in den Backgestenwahnsinn steigert.