Theaterkritik: Alles dreht sich im Kreis

Theaterkritik: Alles dreht sich im Kreis

Intendant René Pollesch zeigt seinen zweiten Abend an der Volksbühne: „Die Gewehre der Frau Kathrin Angerer“. Sein Zentrum bleibt seltsam leer.

Das Theater dreht sich ziemlich oft um sich selbst. Nichts drückt das treffender aus als Nina von Mechows Bühnenbild: Eine Bar, eingerichtet mit Tresen, Tischen und langer Bank, rotiert in einem Kreisgehäuse um die eigene Achse. Davor kündet eine Freitreppe von Showglanz.

Show gibt’s in René-Pollesch-Abenden meist üppig. Auch in „Die Gewehre der Frau Kathrin Angerer“, Polleschs zweiter eigenen Premiere als Intendant der Volksbühne. Die Produktion kam schon im Juni bei den Wiener Festwochen raus, ist jetzt im Repertoire zu sehen. Und bietet auch neben der spektakulären Bühne Schauwerte: eine siebenköpfige Tanzgruppe, ausladende Kostüme von Tabea Braun, alte Volksbühnen-Stars. Kathrin Angerer wird schon im Titel verewigt. Dafür bekommt Martin Wuttke den zentralen Kalauer: „Ich habe mir unter Drehen was ganz anderes vorgestellt.“

Es geht um Hollywood und seinen Glanz, um Bertolt Brecht (der Titel spielt auf dessen Stück „Die Gewehre der Frau Carrar“ an, das aber nur am Rand eine Rolle spielt) und aktuelle Diskurse. Was ist ein Star? Wessen Leben verdient es, erzählt zu werden? Wie in einer Screwball-Komödie werfen sich die sieben Schauspieler die Sätze zu, die sich fragen, ob das hier ein Tanzfilm oder eine Brecht-Adaption sein soll oder darüber sinnieren, dass Wrestling genau deshalb ein toller Sport ist, weil das Ergebnis schon vorher feststeht.

Das sieht vor allem gut aus, wenn die Tänzerinnen um die Ecke biegen, Wuttke wieder und wieder an der Rampe hinfällt und die Bar rotiert, weil dann alle, die sich darin befinden, ins Rutschen geraten. Dazu jagt ein riesiger, aber mit Muskelkraft gesteuerter Kamerakran über die Bühne. Regelmäßig geht eine Leinwand runter, dann sieht man die Spieler in Großaufnahme. Stärkster Moment: Man sieht die Bar, die Spieler stehen aufrecht, aber irgendetwas stimmt nicht. Bis man begreift: Der Raum rotiert, die Kamera auch, die Spieler sind festgeschnallt, so dass vor allem die Haare anzeigen, ob die Bühne gerade Kopf steht.

Allerdings markiert dieses irritierende Bild das Problem des Pollesch-Abends: Sein Zentrum bleibt merkwürdig leer. Über weite Strecken freut man sich, Kathrin Angerer beim staunenden Nölen und Martin Wuttke beim stolpernden Stottern zu erleben. Dazwischen aber verliert man oft den Faden. Thomas Schmauser, früher an den Münchner Kammerspielen ein echter Hingucker, geht im Gewimmel ziemlich unter. Marie Rosa Tiejen, hier unter den freidrehenden Stars die Stimme der Vernunft, und Rosa Lembeck mit ihrem breiten norddeutschen Strahlen setzen kleinere Akzente. Aber das reicht nicht. Je länger die knapp zwei Stunden dauern, desto mehr wünscht und hofft man, dass der Abend noch den entscheidenden Dreh hinbekommt. Doch als Pollesch die Tonlage verändert und Josefin Fischer und Lilith Krause (vermutlich fiktive) Kindheitserinnerungen teilen und der Tanzchor „Scheiße“ brüllt, geht die Sache vollends aus dem Leim. Schade. Denn draußen steht die Welt Kopf, hier nur die Bühne.