Theaterkritik: Der Rest ist Stöhnen

Theaterkritik: Der Rest ist Stöhnen

Sex hat viele Gesichter, Facetten, Geheimnisse. Maja Zade hat ein Stück drüber geschrieben mit dem programmatischen Titel „reden über sex“. Regisseur Marius von Mayenburg lässt an der Berliner Schaubühne dafür die Yogamatten ausrollen und versucht, die Komödie ins Dunkle zu treiben.

Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen? Das galt lange Zeit für Sex. Heute aber reden wir auch in größeren Abendrunden ziemlich unbefangen über Analverkehr, Scheidenkrampf und die Vorteile (un)beschnittener Schwänze. So auch in Maja Zades neuem Stück: Fünf Menschen treffen sich regelmäßig zum – der Titel sagt’s – „reden über sex“. In entspannter Atmosphäre beginnt jemand mit seiner oder ihrer Geschichte, die anderen staunen, kommentieren oder verkriechen sich, peinlich berührt, in sich selbst.

Diesmal kommt ein sechster hinzu, Kevin, und fragt: Wozu das alles? Um unser sexuelles Leben (und damit sich selbst) anzunehmen, sich von Scham zu befreien, einander respektvoll zuzuhören, wie die eingespielten Berliner Mittvierziger behaupten? Aber was ist mit dem Geheimnis der Sexualität, auf dem Kevin besteht?

Regisseur Marius von Mayenburg hat für seine Uraufführungs-Inszenierung an der Berliner Schaubühne eine Art Yoga-Stunde hinzuerfunden: Wellness für Körper und Seele. In einem Raum, der halb Probebühne zu sein scheint, halb Turnhalle (offenbar hat Jan Pappelbaum hier ebenso ein altes Bühnenbild recycelt wie neulich Chloe Lamford in (Kein) Weltuntergang), legen die drei Frauen und drei Männer nacheinander ihre Seelenstripteases hin.

Fedora beobachtete ihre Freundin regelmäßig beim Sex mit einem anderen Mann, Bernd berichtet von einer uneindeutig erotischen Begegnung mit seiner pflegebedürftigen Mutter. Maries Mann hat sich am Tag ihrer Hochzeit in ihre Schwester verguckt, Britta ließ sich ihre Vulva verkleinern, um für ihren Mann attraktiv zu bleiben. Oder Pascal: Der gläubige schwule Katholik wollte, wie sein Mann, keinen Sex vor der Ehe – sicher ist sicher. Petting aber ging, und so wird aus dem Sexverbot ein erotischer Kitzel, der sich nach der Hochzeit nicht wiederherstellen lässt.

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