Kolumne: Nicht ohne meine Katze

Kolumne: Nicht ohne meine Katze

Der Band „Theater* in queerem Alltag und Aktivismus der 1970er und 1980er Jahre“ schaut auf die kaum bekannten Ursprünge schwulen und lesbischen Theaters in Deutschland – und queert mit seinen unkonventionellen Methoden die Wissenschaft.

Manchmal fragt man sich ja schon: Muss man sich überhaupt noch äußern zu Queerness und Theater, wenn gefühlt ein Drittel aller freien Produktionen queere Inhalte und queeres Personal besitzen und selbst auf den Stadttheaterbühnen sich längst queere Erzählungen und Ästhetiken durchgesetzt haben? Nicht überall, klar. Aber schaut man sich die Inszenierungen von Pinar Karabulut, Leonie Böhm und Lucia Bihler an, von Ersan Mondtag und Bastian Kraft, zuletzt auch von Karin Henkel (mit ihrem alle Geschlechtszuschreibungen sprengenden Richard the Kid & the King), hat man schon den Eindruck, dass da queer geprägte Handschriften und Narrative im Theater-Mainstream angekommen sind mit ihren offenen Gendergrenzen, künstlich leuchtenden Farben und Bildern, die wirken wie von Pierre et Gilles, David LaChapelle und dem späten Rainer Werner Fassbinder inspiriert.

Im von Jenny Schrödl und Eike Wittrock herausgegebenen Band „Theater* in queerem Alltag und Aktivismus der 1970er und 1980er Jahre“ erfährt man viel von den politischen Wurzeln dieses Theaters, das ausging von den homosexuellen Emanzipationsbewegungen. „Lesbentheater war eine Möglichkeit, erstmal sich selbst zu vergewissern über das, was ist, sich Räume zu schaffen, in denen wir ‚unter uns‘ waren, ohne irgendwem gefallen zu müssen“, erzählt Sigrid Grajek in einem Interview. Auch, dass es natürlich Lesben und Schwule an den Theatern gegeben habe, aber sexuelle Identität – wie Sexualität insgesamt – kein Thema gewesen sei (etwas, woran sich bis zur #actout-Initiative offenbar nicht viel geändert hatte).

Man muss sich diese frühen Theaterformen als krachernes In-your-face-Laientheater vorstellen, wie man es heute noch in vielen Berliner Drag-Performances erleben kann, bei Ades Zabel alias Edith Schröder im BKA-Theater oder auch bei manchen Lesungen Ralf Königs. Humor wird da eher mit dem gröberen Besteck angepackt. Oder wie Jenny Schrödl zum Lesbentheater schreibt: „Einen künstlerischen oder ästhetischen Anspruch gab es nicht.“ Die – oft kurzlebigen – Beispiele zeigen auch, welchen langen Weg das queere Theater seitdem gegangen ist vom fröhlichen Polit-Dilettantismus zum (Hochglanz-)Profitheater, in dem sich das Politische im Ästhetischen manifestiert (und oft auch auflöst).

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