Theaterkritik: Der Kopf ist ab

Theaterkritik: Der Kopf ist ab

Peter Jordan und Leonhard Koppelmann haben mit „Marie Antoinette oder Kuchen für alle!“ in der Komödie am Kurfürstendamm das Vorzeigepaar des französischen Absolutismus vom Schafott geholt. Anna Thalbach und Alexander Simon brillieren als Marie-Antoinette und Louis XVI. an einem Abend zwischen Türenklapp und Castorf-Volksbühne.

Wo sollen sie bloß mit dem Kopf der Dubarry hin? Eben gab es einen Guillotine-Unfall, jetzt steht völlig ungelegen Robespierre auf der Matte. Wenn dem Ex-König und der Ex-Königin ein Mord nachgewiesen werden könnte, wären sie selbst ihren Kopf los, und das nicht als Opfer politischer Willkür, sondern als verurteilte Täter. Also machen sie dem ungebetenen Gast vor, sie probten Theater. Zeitgenössisches, klar – in Doppelregie. 

Was, wenn Ludwig XVI. und Marie-Antoinette nicht schon vier Jahre nach der französischen Revolution 1789 hingerichtet worden wären, sondern 20 Jahre später immer noch auf ihre Enthauptung warteten? Das ist die Ausgangslage in Peter Jordans und Leonhard Koppelmanns schwarzer Komödie „Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!“. Bei ihnen leben Ex-König und -Königin vollkommen weltfremd in ihrer Versailles-Filterblase dahin, betreut von den beiden letzten Diener:innen. Wenn draußen das Volk vor Hunger brüllt, schließen sie schnell das Fenster. Nur hin und wieder tauchen ehemalige Weggefährt:innen auf, mit denen sie ihre alten Intrigen und Verschwörungstheorien weiterspinnen (Spoiler: an allem sind die Juden und die Freimaurer schuld). Zwischendrin spotten sie über ihr nahendes Ende.

Kommt einem irgendwie bekannt vor? Die Vertreter:innen einer Endzeitgesellschaft, die sich beim Warten auf die längst eingepreiste Katastrophe von den alten Gewohnheiten nicht lösen mag und sich dabei noch immer leidlich amüsiert, sitzen ja auch in der Berliner Komödie am Kurfürstendamm (das vorübergehend im Schillertheater residiert), wo Jordan und Koppelmann ihr Stück selbst inszeniert haben. Den spontansten Applaus gibt es gleich zu Beginn, als sich der Vorhang teilt und den Blick freigibt auf Säulen, Spiegel, Putten. Alles Fototapete natürlich, aber doch so geschickt mit dreidimensionalen Elementen verschränkt, einem Prunkbett, einem Fake-Cembalo, mehreren Globen, dass man eine Weile was zu gucken hat.

Weiterlesen…