Opernkritik: Ordnung nach der Orgie

Opernkritik: Ordnung nach der Orgie

Christof Loy macht Schrekers „Der Schatzgräber“ mit einer ausgefeilten Figurenführung zu einem starken Abend mit einem hervorragenden Sängerensemble

Was ist mit dieser Königin los? Eigentlich siecht sie dahin, weil ihr der Schmuck geraubt wurde. Nun aber taucht sie wie ein Gespenst im nächtlichen Saal aus dunklem Marmor auf, in dem die Schlossgesellschaft versammelt ist. Während im Orchester die Leidenschaften jubeln, gehen sich die Menschen oben auf der Bühne an die Wäsche. So sind Els und Elis, das zentrale Paar, nicht allein mit ihrer Lust: Frauen und Männer tauschen erst lange Blicke, dann flüchtige Berührungen, Umarmungen, Küsse, auch Männer und Männer, zu zweit, zu dritt, die Königin mittendrin.

So machen’s alle, könnte man meinen. Nur der Narr steht daneben und schaut zu. Und der König fehlt. Was also treibt die Königin hierher (übrigens eine stumme Rolle, auch das ist ja aufschlussreich)? Vielleicht eine innere Leere, für die der Schmuck, den sie vermisst, nur eine Chiffre ist: fehlende Lust, Gefahr, Ausschweifung.

Die Orgienszene ist die entschiedenste Deutung in Christof Loys Inszenierung von Franz Schrekers „Der Schatzgräber“. In Johannes Leiackers Einheitsbühnenbild eines düsteren Festsaals inszeniert er die Oper als Studie darüber, wie drei Außenseiter eine erstarrte (Männer-)Gesellschaft aufmischen, die sie nur akzeptiert, solange sie sie braucht. Die Inszenierung entstand bereits im Mai an der Deutschen Oper Berlin. Nun hat Loy sie für die – wesentlich kleinere – Opéra National du Rhin in Strasbourg angepasst, als französische Erstaufführung.

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