Theaterkritik: Eitle Bühnenleute unter sich

Theaterkritik: Eitle Bühnenleute unter sich

Ein grandios komischer Abend. Leander Haußmanns “ Läuft!“ mit Samuel Koch am RambaZamba Theater

Eine Leander-Haußmann-Premiere ist immer eine große Sache. Wenn der Regisseur von Filmen wie „Sonnenallee“ und „Stasikomödie“ ruft (eigentlich ist er ja Theatermann durch und durch, prägend in den späten Peymann-Jahren am Berliner Ensemble), kommen alle: Ex-Senatoren, Rainald Grebe, die große Ilse Ritter – und viele junge Schauspieler. Wie passend! Denn in „Läuft!“, Haußmanns neuem Streich am Theater RambaZamba, erzählt er in einer Art Bühnenreportage vordergründig eine Liebesgeschichte. Die Strippen aber ziehen die Theatergötter.

Dazwischen gibt’s viel Raum für Selbstdarstellungspirouetten, Zickenkriege, Kompetenzgerangel eitler Bühnenleute – den alltäglichen nackten Wahnsinn also. Regisseur Rainer Werner und Dramaturg Dieter kämpfen um die Deutungshoheit – wie Jonas Sippel und Sebastian Urbanski hier einander anmotzen, wie schamlos Urbanski zugleich seine Autobiografie anpreist („Am Liebsten bin ich Hamlet“), ist so herrlich komisch wie später Franziska Kleinert, die als brutale Intimitätskoordinatorin eine sensible Liebesszene sprengt.

Chaotisch wirkt die Bühne, wie auf einer Probensituation: An der Seite hängen Zettel mit den Szenen-Entwürfen (hilft bei der Orientierung), vorne stehen Tische, hinten transparente Leinwände, über die das Leid der Welt flackert: Überflutungen, Brände, Trump. Davor haben wir unseren Spaß. Erst recht, als der Star des Abends aufkreuzt, Samuel Koch, der hier zunächst so vorgestellt wird, wie er tatsächlich auf vielen Bühnen des Landes erscheint: als „Mutmacher“, also Motivationssprecher. Nur dass er hier eher depressiv wirkt, Leben und Beruf am Liebsten in die Tonne treten würde. Bis zur nächsten Koks-Dosis – dann spult er die eingeübte Geschichte doch bis zum Ende ab.

Wie Koch das spielt, melancholisch grundiert, aber mit Ironie im Blick, ist so großartig wie Karla Sengteller, die mit allen Mitteln (auch den übergriffigen) versucht, sich an ihn ranzuschmeißen. Und wie Robin Krakowski, der sich immer wieder in den Vordergrund drängt. Viel erzählt das auch über den schwierigen Stand der Inklusion in Deutschland, vom Kontrast zwischen wohlfeilen Sonntagsreden, romantisch glotzendem Publikum und der Realität. Wer hat hier die Deutungshoheit? Man lacht so lange, bis es schmerzt. Oder bis der Abend in die Melancholie dreht: Einmal singt Dirk Nadler als trauriger Engel Ludwig Hirschs „Komm großer schwarzer Vogel“, und da weiß man überhaupt nicht, ob das noch Ironie ist oder schon zum Heulen.

Von solchen wunderbaren Uneindeutigkeiten gibt es viele. Es wirkt, als hätten Haußmann und das RambaZamba einander gesucht und gefunden. Schon „Einer flog übers Kuckucksnest“ war ja so ein besonderer Abend, frei und wild und voller Anspielungen. Wermutstropfen gibt es auch, klar: Der Abend hängt im letzten Drittel etwas durch. Zudem bleiben hier die RambaZamba-Spieler etwas unterbeschäftigt; einige – wie Nele Winkler als Clown oder Christian Behrend als König – erhalten generell wenig Raum. Aber der Drive stimmt, der Witz, die Energie. Und wenn am Ende nur alles Theater war, dann wurde doch zwischendrin sehr viel übers Leben erzählt und unsere merkwürdigen Rollen darin.