Theaterkritik: Kabale und Hiebe

Theaterkritik: Kabale und Hiebe

Ein großes Gegiere und Gefummel: Bei Jessica Weisskirchen wird Ewald Palmetshofers „Edward II. Die Liebe bin ich“ in der Box des Deutschen Theaters zum SM-Trip in der Folterkammer. Die königliche Schamkapsel glitzert hell, doch die alte Frage bleibt: Wo genau wohnt hier die Liebe?

Als irgendwann die Hundemasken auftauchen, natürlich auf den Köpfen der geifernden Peers, sind viele andere Fetischinsignien schon durchgespielt: Lack und Leder, Bondage und Peitsche, Strapse und Korsett. Dazu Handschellen, Seile, Kerzenwachs, ein Schnuller mit Brillanten-Brosche außen. Die Kostüme Günter Hans Wolf Lemkes sind irre Kreuzungen aus BDSM-Uniformen und Amtsroben, für die er explodierte Geschlechter- und Gesellschaftsrollen neu zusammengesetzt hat. Sieht wirklich gut aus!

Nur wozu? Gespielt wird in der kleinen Box des Deutschen Theaters Ewald Palmetshofers „Edward II. Die Liebe bin ich“. Palmetshofer überschreibt damit Christopher Marlowes Historie von 1592 um jenen englischen König, der die Herrschaft und das Leben verlor, weil er seinen Günstling Gaveston über alle anderen erhob. Marlowe wollte zeigen, wie einem schlechten Herrscher die Macht zerbröselt, weil er sie leichtfertig verspielt.

Palmetshofer setzt in seinem 2015 uraufgeführten Stück den Fokus neu: auf die Liebe (wie der Titel betont). Er schafft Individualisten von heute, auch wenn es immer noch eine Königin, einen Bischof und Hofstaatreste gibt, die versuchen, den Liebhaber des Königs loszuwerden und die Ordnung von Hof, Kirche, Bett wiederherzustellen. Hilft nichts. „Ich will“, sagt der König trotzig. Und eben: „Die Liebe bin ich.“ Nicht: Die Liebe sind wir. Zuletzt hat Pınar Karabulut diese große Selbstsuche und Selbstbespiegelung in ihrer Kölner Theater-Film-Serie bildgewaltig in Szene gesetzt.

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