Opernkritik: Die Wahrheit ist dissonant

Opernkritik: Die Wahrheit ist dissonant

Nichts funktioniert mehr, es schlägt die Stunde der Spießer in László Krasznahorkais Roman „Melancholie des Widerstands“. Berühmt wurde er durch Béla Tarrs Verfilmung „Werckmeister Harmonien“. David Marton hat jetzt mit Marc-André Dalbavie eine Oper daraus gemacht – im Live-Kino-Format.

Eine Szene gibt es, die wirkt wie aus einem frühen David-Marton-Abend: Georges Esther stimmt seinen Flügel, greift dazu Töne und Akkorde, während im Orchester zunehmend mehr Instrumente die fehlenden Noten zur Bach-Fuge ergänzen. Das klirrt und vibriert haarscharf aneinander vorbei, weil der ehemalige Musikschuldirektor Esther nicht mehr an die göttliche, „wohltemperierte“ Ordnung der Werckmeister’schen Harmonien glaubt: alles Klitterung, Lüge, „nichts als ein einfallsreiches Mittel, unsere erbärmliche Stellung zu verschleiern“. Die Wahrheit ist dissonant.

Nur findet „Melancholie des Widerstands“ nicht an Schau- oder Volksbühne, sondern an der Berliner Staatsoper statt, und statt Stückentwicklung gibt’s eine Opernuraufführung. Der Stoff basiert auf dem 1989 erschienenen Roman des Ungarn László Krasznahorkai über eine Kleinstadt, in der eine apokalyptische Stimmung herrscht. Nichts funktioniert mehr so richtig, die Bahn ist ein einziges Chaos; fraglich, ob die Kohlen reichen. Angèle Esther, die von ihrem Mann getrennt lebt, heizt diese Stimmung an, um die Macht übernehmen zu können. Der Slogan ihrer Bewegung: „Gekehrtes Heim, Ordnung muss sein“. Am Ende räumt das Militär für sie auf.

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