Kolumne: Salatschüssel statt Schmelztiegel

Kolumne: Salatschüssel statt Schmelztiegel

Queer Royal – Georg Kasch über würdevolles Zusammenleben

Vor zwei Wochen schwang sich der europäische Zynismus zu neuen Höhen auf, als die Politik beklagte, was sie zuvor doch mit so viel Nachdruck betrieben hatte: das Ertrinken der Flüchtlinge im Mittelmeer. Was blieb, war ein entsetzliches Gefühl der Hilflosigkeit. Und die Fremdscham, dass gerade jene die abendländischen Werte mit Füßen treten, die sich immer wieder auf sie berufen.

Dabei könnte man ja – bis man einen Plan hat, wie man die Herkunftsländer stabilisieren kann oder die Welt gerechter macht – erst mal die Türen öffnen. Die Flüchtlinge willkommen heißen. Sie nicht nur mit Notunterkünften, sondern auch mit Nachbarschaftshilfe, Sprachkursen und Kulturangeboten versorgen. Aber damit sind keine Wahlen zu gewinnen. Da könnten ja welche gekommen sein, um zu bleiben. In einem Land, in dem das Wort Volk immer noch das Bild einer Blutsgemeinschaft hervorruft, wird bei Flüchtlingen im Zweifel nicht nach dem Verbindenden, sondern nach dem Fremden gesucht.

Als die Toten im Mittelmeer kurzfristig die Routine der europäischen Politik zu durchbrechen schienen, war ich in Basel auf einem Festival, wo Not Punk, Pololo von Gintersdorfer/Klaßen lief. Die Arbeit lebt wesentlich vom inszenierten Chaos, vom Clash der Stile und Kulturen: ivorische Muskeltypen treffen auf den fragilen Hans Unstern mit Harfe und High Heels, Voguing auf Punk und fette Beats. Nichts passt zusammen, ästhetische Puristen und Perfektions-Anbeter muss das kalte Grausen packen. Aber am Ende wird eine große Party draus. Und das, obwohl die Unterschiede der vielen Protagonisten weiterbestehen: Salatschüssel statt Schmelztiegel.

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