Opernkritik: Showtime im alten Ägypten

Opernkritik: Showtime im alten Ägypten

Barrie Kosky inszeniert „Die Perlen der Cleopatra“ wie einen Hollywoodfilm aus den 30er-Jahren – mit Dagmar Manzel als Star

Eine Frau, die weiß, was sie will braucht einen entsprechenden Auftritt. Also lässt sich Cleopatra, immer auf der Suche nach „einem kleinen ägyptischen Flirt“ (aber eigentlich nach der großen Liebe) in einem Wahnsinnskleid zur Audienz fahren, um dort einen desertierten Feldherren zu empfangen: ein cremefarbener Traum, ins Gigantische getrieben durch eine Orchestermuschel aus Federn, wie aus einem Hollywoodfilm der 30er Jahre. Ihre desinteressierte Maske lässt sie schnell fallen, schließlich ist sie nicht nur Königin, sondern auch Frau. Und wenn sie dabei nicht gleich über ihren Schatten springt, hilft ihr Ingeborg, die sprechende Katze – Cleopatras Handpuppe, ebenso glitzernd, direkt und berlinernd wie Cleopatra selbst. „Wie sehe ich aus?“, fragt Cleopatra kokett. „Wie eine Rose nach dem Gewitter.“ Charmant!

Eine berlinernde Cleopatra im Selbstgespräch? So etwas gibt’s nur an der Komischen Oper. Oscar Straus’ „Die Perlen der Cleopatra“, 1923 in Wien uraufgeführt, 1924 in Berlin herausgekommen, war ein Starvehikel für Fritzi Massary, ganz auf ihren kunstvollen Wechsel zwischen Chanson und Sprechgesang zugeschnitten, zwischen damenhafter Grandezza und frivolem Witz. Hausherr Barrie Kosky weiß, dass Massary-Operetten einen Star mit ähnlichen Qualitäten brauchen. Denn an der Handlung ist nichts dran: Cleopatra legt zuerst einen römischen Legionär, dann einen persischen Prinz flach mit Hilfe ihrer titelgebenden Liebesperlen. Bis Marc Anton aus Rom kommt und den Spieß umdreht. Zwar gibt’s einige politische Anspielungen (wie schon im Urtext), aber dazu muss man schon genau hinhören.

Den Star hat Kosky in Dagmar Manzel, dieser Frau für alle Zwischentöne. Sie muss nur auftreten, schon wirkt die Bühne wie verzaubert. Manzel zieht alle Register einer Do-it-yourself-Königin, gurrt, schnurrt, plaudert, bellt Tacheles und singt vom bassigen Alt bis in die Spitzentöne hinein. Ihr Hof ist eine quietschbunt ausstaffierte Meute im eleganten Art-déco-Rahmen, wo ebenso viel halbnackt getanzt wie gegen sie intrigiert wird. Kosky inszeniert „showtime in Egypt“, das es kracht!

Manzel ist – neben der fulminanten Ausstattung von Rufus Didwiszus und Victoria Behr – mit Abstand der größte Trumpf des Abends. An Adam Benzwi liegt das nicht, der großartige Arbeit geleistet hat, Straus’ Partitur ins Heute zu holen mit orientalischen Melismen, die auf Latinpop treffen, mit musikalischen Zitaten und leichtfüßig verjazzten Märschen. Vom Flügel aus – den braucht er für besonders intime oder ironische Momente – treibt er das Orchester der Komischen Oper in rauschhafte Zustände. Nur bleibt davon nichts, weil Straus – anders als in „Eine Frau, die weiß, was sie will“ – keine Ohrwürmer komponiert hat. Alles perlt und schäumt freundlich, ja aufgekratzt vor sich hin. Aber am Ende erinnert man sich nur an die Manzel und Ingeborg.

Auch, weil Manzel ein starker Partner fehlt. In Dominique Horwitz findet sie in nicht, der seinem intriganten Minister Pampylos erstaunlich grob und nuancenfrei anlegt. Dominik Köninger und Johannes Dunz als Liebhaber 1 und 2 fallen schon dadurch aus, dass Kosky sie als eitle Volltrottel weginszeniert. Einzig Peter Renz kann Manzel als ebenfalls berlinernder Suffkopp Marc Anton in Sachen Präsenz die Stirn bieten. Hier, beim Happy End, findet der Abend noch einmal ganz zu sich mit Charme, Ironie und Manzels Kunst, auch die dollsten Kalauer noch zu zwerchfellschmerzendem Witz zu veredeln.