Theaterkritik: Zurück in die Zukunft
Samuel Beckett / Tino Sehgal – Mit Einaktern von Beckett in der Regie des Beckett-Getreuen Walter Asmus und älteren Performances von Tino Sehgal eröffnet die Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
Los geht’s! Schon im Foyer brausen die E-Gitarren, flackert das Licht über dem neuen, türkisfarbenen Teppichboden – 45 Minuten lang. Drinnen dann, im großen Saal, dröhnt der Hardrock ohrenbetäubend weiter, während abstrakte Lichtstreifen über die Wände blitzen, auf der leeren Bühne die Hubpodien rauf- und runterfahren und sich am Ende der große Glaslüster ins Parkett senkt.
Nach Wochen in der Tempelhofer Außenspielstätte haben Chris Dercon und Marietta Piekenbrock jetzt mit „Samuel Beckett / Tino Sehgal“ das Große Haus der Berliner Volksbühne eröffnet. „(Ohne Titel)“, so heißt der Auftakt, mit dem es Tino Sehgal mit kindlicher Freude (und einem nackten Performer) so richtig krachen lässt. Dann kommen die Bühnenarbeiter und bringen die Stühle. Jetzt geht’s also endlich los!
Naja, fast. Denn nach dem kraftmeiernden Auftakt, der Errungenschaften historischer Avantgarde als Gegenwart ausgibt, müssen alle wieder raus. Eine Stunde und 15 Minuten ist das Publikum angehalten, durch die Foyers und Gänge zu flanieren. Was wirkt wie eine überlange Pause, mit Schlangen am Buffet und Kultursmalltalk, ist Teil des Abends. Überall gibt’s Sehgal satt, allerdings ausschließlich ältere Werke. Der Künstler, der die wichtigsten Museen mit Performances füllt, recycelt sie oft, insofern ist das nichts Ungewöhnliches. Nur gab es gerade erst im Berliner Gropius-Bau eine große Sehgal-Retrospektive, wo konzentrierte Sprechwerke wie „Ann Lee“ zu sehen waren – in stillen, abgeschiedenen Räumen.
Hier aber stehen die kindlichen Performer in den Seitenfoyers, man versteht nur Wortfetzen, weil das große Pausenhofrauschen drumherum alles übertüncht. Das ist blöd für die Darsteller*innen, die vergeblich versuchen, sich gegen die lebendige Soundkulisse durchzusetzen. Hat niemand daran gedacht, dass sich Menschen in einem Foyer anders verhalten als in einem Museum? Und: Geht es bei diesen sich wie Avatare ihrer Selbst bewegenden Menschlein um Themen wie Arbeit, Gerechtigkeit und das Leben in einer Blase? Man ahnt das mehr, als dass man es erfährt.