Recherchestück: Scheitern inklusive

Recherchestück: Scheitern inklusive

Warum das Autorenprogramm des Berliner Ensembles bislang mehr Unmut als Stücke produziert
von Sophie Diesselhorst, Janis El-Bira und Georg Kasch

Im November 2019 wurde am Berliner Ensemble (BE) sehr kurzfristig eine Premiere abgesagt: im Theaterbetrieb eine merkwürdige Begebenheit, aber nicht automatisch ein Skandal. „Pussy – eine Ode an die Männlichkeit“ von Stephanie van Batum sollte im Rahmen des Autorenprogramms herauskommen. Das ließ dann doch aufhorchen: Denn diese Sparte des BE hatte schon vorher merkwürdig viele Signale der Unruhe produziert.

Dabei präsentierte BE-Intendant Oliver Reese sie zum Antritt seiner Intendanz 2017 als Herzstück seines Vorhabens, das BE zum „zeitgenössischen Autorentheater“ umzugestalten. Als Leiter des Autorenprogramms wurde der prominente Dramatiker Moritz Rinke vorgestellt. Ausgesuchte Autor*innen sollten unter Rinkes Anleitung, mit ausreichend Zeit und Geld ausgestattet – und vor allem: in enger Zusammenarbeit mit Regisseur*innen und Schauspieler*innen –, Stücke entwickeln. Als erste Namen wurden die Romanautorin Olga Grjasnowa, der „Spiegel“-Journalist Dirk Kurbjuweit und der Filmregisseur Burhan Qurbani genannt, als Förderer die Heinz-und-Heide-Dürr-Stiftung vorgestellt, die damals gerade erst unter Protest aus der Förderung des Stückemarkts des Berliner Theatertreffens ausgestiegen war.

Das erste öffentliche Ergebnis des Autorenprogramms war dann jedoch keine Premiere, sondern der Ausstieg von Moritz Rinke im Juni 2018. Die Zusammenarbeit ende „aufgrund unterschiedlicher künstlerischer Auffassungen“, hieß es vom Theater. Erste Premiere im Autorenprogramm war dann – erst im Februar 2019 – Kriegsbeute von Burhan Qurbani und Martin Behnke. Im März folgte mit Der letzte Gast von Árpád Schilling Premiere Nummer zwei. Zur Nachtkritik ging ein Kommentar der beteiligten Schauspielerin Bettina Hoppe ein, der es wichtig war anzumerken, „dass weder die Rollenprofile noch der Plot auf Improvisationen der SchauspielerInnen zurückgehen“.

Bereits vor Premiere Nummer drei rumpelte es im April vernehmlich, als der Dramatiker Mario Salazar nach einem Endprobenbesuch an die Redaktion schrieb: „Falls nachtkritik.de über die Aufführung von ‚Amir‘ berichten wollte, möchte ich Sie gerne wissen lassen, dass es sich hierbei nicht mehr um eine Uraufführung handelt. Ich wurde am Dienstag das erste Mal zu einer Probe vorgelassen und konnte feststellen, dass von meinem Text nichts mehr übrig geblieben ist.“ Premiere Nummer vier wäre „Pussy – eine Ode an die Männlichkeit“ von Stephanie van Batum gewesen. Einzig Premiere Nummer fünf, Alexander Eisenachs Stückentwicklung Stunde der Hochstapler, die Eisenach auch selber inszenierte, ging ohne vernehmliche Nebeneffekte über die Bühne.

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