Theaterkritik: We are die gute Ordnung
The History of the Federal Republic of Germany – Münchner Kammerspiele – Julian Warner und fünf Musiker*innen knüpfen sich in ihrer Teufelsaustreibung den Rassismus in der Polizei vor
München / online, 28. November 2020. Die deutsche Polizei hat ein Rassismusproblem. Davon erzählt Fehler Kuti gleich zu Beginn: Einmal, am Münchner Hauptbahnhof, wehrt er sich verbal gegen seine verdachtsunabhängige Personenkontrolle, wird deshalb auf die Wache mitgenommen und gefilzt. Die Begründung: „Wir machen das, um Deutschland vor denen zu beschützen, die uns unseren Wohlstand neiden.“
Diese vulgäre Verknüpfung von Gewaltmonopol und wirtschaftlichen Abwägungen, von Hautfarbe und Klasse ist die Ausgangssituation in Julian Warners Konzertperformance „The History of the Federal Republic of Germany“ an den Münchner Kammerspielen, die coronabedingt online Premiere feiert – nicht live, sondern als bearbeitetes Video. Warner ist Performer (mit Oliver Zahn verantwortlich etwa in der Formation Hauptaktion), Dramaturg (etwa bei Anta Helena Recke) und Kulturanthropologe (an der Uni Göttingen), unter seinem Künstlernamen Fehler Kuti auch Musiker. In „The History of the Federal Republic of Germany“ entfesselt er mit seiner Band eine Art antirassistische Teufelsaustreibung: Anrufung des Bösen und seine Transformation in eine Polizei, die keine Unterschiede mehr macht.
Dass die Polizei gerade ist, wie sie ist, liegt, so legt der Abend nahe, am neoliberalen Staat: Gerechtigkeitsprobleme des Kapitalismus werden nicht gelöst, sondern privatisiert. Wen die globale Ungleichheit stört, kann ja fair trade konsumieren und sich wieder „ganz“ (whole) fühlen. Solche Zusammenhänge muss man sich aber als Zuschauer*in schon selbst konstruieren zwischen Thatcher-Zitat („there is no such thing as society“) und ironischer Verfremdung („Blue Lives Matter“).
Die Geschichte der Bundesrepublik wird, anders als der Titel suggeriert, nicht erzählt. Warner setzt allenfalls Schlaglichter und Schlagworte auf Deutsch und Englisch, die sich vom Wunsch nach Anerkennung durch einen deutschen Pass über die 35-Stunden-Woche bis zur Bande („racket“) ziehen und hinter denen sich durchaus Regalmeter an Sekundärliteratur verbergen (racket zum Beispiel ist ein Theorie-Begriff der Frankfurter Schule, meint hier aber auch die Polizei als Gruppe). Nur schlägt man wegen ein paar sperriger Vokabeln ja nicht gleich im Lexikon nach. Auch ist die wilde denglische Sprachmischung nicht unbedingt kommensurabel für Menschen ohne akademischen Hintergrund – was wiederum auf das Problem vieler Rassismus- (und Gender-)Diskurse verweist.