Theaterkritik: Promi Deko Queen

Theaterkritik: Promi Deko Queen

Mord im Orientexpress – Komödie am Kurfürstendamm – Katharina Thalbach und die Geschwister Pfister machen aus Agatha Christies Krimi ein Musical

Ist Theater eigentlich noch ein gesellschaftliches Ereignis, jenseits der immer ausgedünnter wirkenden Feuilletonseiten? Wenn man zur großen, schon im vergangenen März geplanten Premiere von „Mord im Orientexpress“ ins Berliner Schillertheater eilt, wo gerade die Komödie am Kurfürstendamm ihr Interim aufgeschlagen hat, ahnt man, was Theater zuweilen auch bedeutet: roter Teppich, Blitzlichtgewitter, im Publikum Fernsehprominenz im Dutzend. Es ist ein Spektakel der eigenen Art, dessen Lust zu Größe und Glanz auch FFP2-Masken, Desinfektionsmittel und Nachverfolgungsdokumentation nichts anhaben können.

Ein Rummel, der sich auf der Bühne spiegelt. Denn „Mord im Orientexpress“ nach Agatha Christies Roman von 1934 ist schon qua Team auf Prominenz getrimmt: Regie führt Katharina Thalbach, auf der Bühne stehen neben ihr selbst ihre Tochter Anna und ihre Enkelin Nellie, außerdem die Geschwister Pfister, legendäre Held:innen der großen Kleinkunst. Die Kostüme hat Guido Maria Kretschmer entworfen, populär in Boulevardmedien und Privatfernsehen, der etwa auch für die neuen Uniformen der Bahn-Mitarbeitenden verantwortlich zeichnet.

Ein Spektakel aber ist auch „Mord im Orientexpress“ selbst. In seiner Theaterversion von Ken Ludwig, handlich gemacht von Thalbach persönlich, ist es eines jener unzähligen Stücke, die das Spiel im Spiel thematisieren. Und das insofern raffiniert, weil wir als Zuschauer:innen erst am Ende begreifen (so wir das Finale nicht schon aus Roman und Film erinnern), dass hier fast alle eine Rolle spielen. Das Ganze ist ein Schauspieler:innen-Fressen, sechs Mal verfilmt (darunter 1974 hinreißend von Sidney Lumet mit Ingrid Bergmann, Lauren Bacall, Vanessa Redgrave und 2017 blutarm von Kenneth Branagh): Im Orientexpress auf der Reise von Istanbul nach Calais wird ein Mann ermordet, ausgerechnet, als der Zug im Schnee feststeckt. Meisterdetektiv Hercule Poirot weiß, dass es jemand an Bord gewesen sein muss. Aber alle haben ein Alibi.

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