Kolume: Machen Hammelkeulen schwul?

Kolume: Machen Hammelkeulen schwul?

Kolumne: Queer Royal – Georg Kasch über das Schaf als queeres Role Model

Manchmal ist das beste Pferd im Stall ein Schaf. Etwa als Argument gegen den Einwand, queeres Leben sei wider die Natur. Schon seit ein paar Jahren hat sich herumgesprochen, dass in genau dieser Natur so ziemlich alles möglich ist. Klar, die Bonobos, da macht’s ja jede:r mit jeder und jedem. Aber auch Delphine, Bisons, Elefanten, Löwen, Libellen, sogar Taufliegen und Bettwanzen – überall balzen und kuscheln, schnäbeln, schnäuzeln und kopulieren sie in Konstellationen, die jede:n „Demo für alle“-Aktivist:in im Schock erstarren lassen dürfte.

Die Tüpfelhyäne zum Beispiel lebt im Matriarchat. Beziehungen zwischen Weibchen gibt’s häufig. Oder die Schienenechsen: Dank der Jungfernzeugung brauchen sie gar keine Männer und machen nicht nur den Sex, sondern auch die Fortpflanzung unter Frauen aus. Männliche Giraffen reiben erst ihre Hälse aneinander, bevor’s ans Eingemachte geht. Und Trauerschwanmännchen-Paare haben bereits gemeinsam Junge aufgezogen; gleiches wurde bei Pinguinen und Geiern beobachtet. Besonders ärgerlich für alle, die immer dann die Natur anrufen, wenn ihnen etwas in Gender- und Sexualitätsdiskursen nicht passt, ist aber das Schaf. Acht bis zehn Prozent der Schafböcke zeigen ausschließlich homosexuelles Verhalten, weitere 18 bis 22 Prozent sind bisexuell. Woran denken sie eigentlich, wenn sie lammfromm in der Gegend rumstehen und freundlich gucken? Etwa an den Nebenbock? Sind Wollpullis dann wirklich noch was für echte Kerle? Machen Hammelkeulen schwul?

Lange konnten sich jene Naturanrufer, die es gerne klar sortiert haben im Leben, immerhin damit trösten, dass kein Tier je auf die Idee kommen würde, eine andere Identität zu besitzen. Also wie eine Ente auszusehen, aber im Herzen ein Geier zu sein. Oder als Känguru gelesen zu werden, aber wie ein Wisent zu fühlen. Schaf sei dank wissen wir es jetzt besser. Im aktuellen ZEIT-Magazin berichtet Alard von Kittlitz vom Kamerunschaf Leni, das in Bayern seiner Herde entlief. Allen versuchen, es einzufangen, widersetzte sich Leni beharrlich.

Weiterlesen…