Theaterkritik: Wenn Lehrer von der Liebe träumen

Theaterkritik: Wenn Lehrer von der Liebe träumen

Begeisterung beim Theatertreffen: Antú Romero Nunes‘ Basler „Sommernachtstraum“ durchdringt Shakespeares Drama vollkommen neu

Was ist Theater? Vielleicht: eine Kunst des Trotzdem. Man sieht ja, wie zusammengepappt die Kulisse ist, wie falsch die Perücken sind, dass der Liebhaber nicht mehr 17 ist. Und doch verwandelt sich das alles, wenn es denn gut gemacht ist, vor unseren Augen, glaubt man jedes Wort.

Beim Theatertreffen-Gastspiel „Ein Sommernachtstraum“ vom Theater Basel sind die Voraussetzungen besonders arg. In einer etwas zugerümpelten Mehrzweckhalle tritt das Lehrpersonal einer Schule an, um William Shakespeares Komödie zu erarbeiten. Als Wiedergänger der Shakespeare’schen Handwerkertruppe proben diese Witzfiguren in Pullunder und Faltenrock das Drama um Pyramus und Thisbe: der antiautoritäre Schulleiter, die esoterische Deutschlehrerin, der schrullige Geschichtslehrer. Herrlich komisch stolpern sie herum, Knallchargen mit Ladehemmung, Eifersüchteleien, Eitelkeiten.

Und doch ist dieser Abend viel mehr als Theater-im-Theater-Boulevard. Denn im „Sommernachtstraum“ gibt’s auch den Ehezwist zwischen Oberon und Titania, das Drama um die sich ungünstig überkreuz liebenden Paare Lysander, Demetrius, Helena und Hermia, die in den Wald fliehen und dort von Puck zusammengeführt werden (nachdem er erstmal alles mit seiner Zauberblume durcheinanderbringt). Außerdem das Herrscherpaar Theseus und Hippolyta, zu deren Hochzeit das Verwirrspiel kulminiert – und zu deren Ehren am Ende das Lehrer-Theater aufgeführt wird.

Das Tolle an Antú Romero Nunes‘ Inszenierung ist, dass die sieben Spielerinnen fliegend die Rollen wechseln und damit auch die Tonlage. Aenne Schwarz, eben noch die ungeschickte Lehrerin, die die Szenenanweisungen spricht, statt ihr Gegenüber zu küssen, flirrt nun herrlich durchlässig als Elfenkönigin im Paillettenkleid, drechselt später als Amazone mit Helm auf dem Kopf festliche Verse. Sven Schelker, peinlicher Laienspiel-Egomane, verwandelt sich in einen prachtvoll-sinnlichen Esel-Liebhaber. Und Gala Othero Winter, als Pädagogin ein Mauerblümchen, macht ihren Puck mit Draufgängertum und Penetranz zu einem Ereignis. Ein Wesen, verdruckst und versponnen, halb Kobold, halb Göre. Großartig!

So fügt sich aus Licht, Musik, Gesang und dem Rascheln des Kunstlaubs im Parkett (gleich zu Beginn werden Äste verteilt) eine zauberische Stimmung, obwohl es auf der Bühne immer wieder bewusst hakt und Illusionen gebrochen werden. Romero Nunes mutet uns auch die sperrigeren, gerne gestrichenen Stellen des Werks zu. So ergeben sich bei aller Komik Tiefenbohrungen, wie man sie in diesem so oft gespielten Werk kaum mehr für möglich gehalten hätte.

In gewisser Weise war dieses Gast- auch ein Heimspiel. Romero Nunes hat seine Karriere einst am Gorki-Theater unter Armin Petras begonnen mit aufsehenerregenden Abenden wie „Der Geisterseher“ und „Die Räuber“. Und schon damals mit Aenne Schwarz und Michael Klammer, die – wenn das denn geht – noch hinreißender geworden sind, vielfältiger, strahlender. Wie überhaupt das Basler Ensemble zum Niederknien gut ist! Das hatte sich offenbar herumgesprochen: Im ausverkauften, jubelnden Hebbel-Theater saßen Theaterpromis wie August Diehl und Edgar Selge, draußen suchten Menschen verzweifelt Karten. Die gute Nachricht für alle, die’s verpasst haben: 3sat zeigt einen Mitschnitt in seiner Mediathek.