Opernkritik: Neustart mit Wagner
Als Festivalort hat Sopot eine bewegte Vergangenheit. Nun ging, mit Corona-Verspätung, dort das erste Baltic Opera Festival über die Bühne, initiiert vom Bariton Tomasz Konieczny. Das Konzept mit einer Mischung aus Stars und Tradition ist durchaus vielversprechend. Künstlerisch lässt der erste Jahrgang noch Luft nach oben für kommende Ausgaben.
Wo liegt das „Bayreuth des Nordens“? Um diesen Titel streiten Orte oberhalb des Weißwurstäquators seit über hundert Jahren. Einer von ihnen ist Zoppot, einst preußisch-deutsches, seit 1945 als Sopot polnisches Seebad. 1909 hatten dort findige Bürger eine Waldstelle mit natürlicher Akustik ausgemacht und zu einer Freilichtbühne ausgebaut. Zunächst wurden Werke verschiedener Komponisten gespielt, bis die Festspiele in den 1920ern auf Richard Wagner fokussierten und mit Bayreuth-würdigen Sängern die Massen lockten. Ab 1933 herrschten Mittelüberfluss und Propaganda; nach 1945 diente die Bühne vornämlich Schlager und Pop als Kulisse.
Es musste ein polnischer Wagnerianer kommen, um an die alte, belastete Tradition anzuknüpfen. Tomasz Konieczny ist ein Bariton von Format, singt Wotan und den Holländer in Bayreuth, Wien, Berlin. Während der Corona-Pandemie stand er anderswo unter freiem Himmel auf der Bühne – und kam auf die Idee, die sagenhafte Akustik der Waldoper in Sopot als Baltic Opera Festival wiederzubeleben. 2021 sollte es schon einmal an den Start gehen – das scheiterte an Details.
Jetzt endlich hat’s geklappt. Und zwar mit einem überzeugenden Konzept: Völkerverständigung durch Kunst. Hier, wo einst das Germanentum zelebriert wurde, sollen Künstler und Institutionen des Ostseeraums miteinander arbeiten und große Werke auf die Bühne bringen. Dazu präsentieren junge Talente polnisches Musiktheater.