Kolumne: Mehr Champagner!

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Ist die Operette gestrig? Das Gegenteil ist der Fall, wie die Komische Oper in den vergangenen Jahren bewiesen hat. Jetzt gibt’s sogar neue Werke, die die Gattung selbstbewusst queeren – und ihr so neues Leben einhauchen. Etwa am Münchner Gärtnerplatztheater.

Wenn eine Operette gleich mit ihren ersten (und letzten) gesungenen Worten verkündet, dass es hier um Unterhaltung gehe „und sonst nix“, ahnt man: Da kommt noch was. Zunächst haben die derart aufgekratzt Trällernden ja recht. Denn in Georges Feydeaus Türenklapp-Farce „Occupe-toi d’Amélie“, von der Thomas Pigor den Plot seiner Operette „Oh! Oh! Amelio“ geliehen hat, findet außer Flirt, beiläufigem Fremdgehen und ein bisserl Altherrengeilheit nicht viel statt: Étienne bittet seinen besten Freund Marcel, während seiner einmonatigen Abwesenheit auf seine Freundin Amelié aufzupassen. Als Marcel und Amelié sich nach einer durchzechten Nacht im selben Bett wiederfinden, müssen alle davon ausgehen, dass da was gelaufen ist. Étienne sinnt auf Rache.

Das Problem an dieser äußerst wirkungsvollen (und entsprechend oft adaptierten) Klamotte ist, dass schon die Grundkonstellation – junge Frauen sind notorisch untreu, deshalb brauchen sie einen Aufpasser – sexistisch, misogyn, patriarchalisch wirkt. Die Lösung? Pigor vertauscht nahezu alle Geschlechter und macht aus der titelgebenden Amelié den Drag-Künstler Amelio.

Bei der Uraufführung am Münchner Gärtnerplatztheater sieht das dann so aus: Vor einem leicht angerosteten roten A voller Glühlampen verguckt sich der Filmproduzent Prinz in das Tanzgirl Amelia, ohne zu begreifen, dass es sich dabei um Amelio handelt. Wenig später verabschiedet sich Amelios Verlobter Étienne auf eine Vortragsreise in die USA und bittet seine beste Freundin Marika, auf Amelio aufzupassen, aber nicht etwa, um seine Treue zu überwachen, sondern um ihn vor zu viel Drogen und Sexdates zu bewahren. Marika wiederum braucht einen Ehemann, um an ihr Erbe zu kommen, über das ihre Tante Putzebumskaja wacht. Also spielt Amelio deren Verlobten, will sich aber als Amelia zugleich die Option auf einen Filmvertrag offenhalten.

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