Opernkritik: So machst du deinen Sohn zum König und regierst selbst

Opernkritik: So machst du deinen Sohn zum König und regierst selbst

Agrippina – Bayerische Staatsoper – Bei den Münchner Opernfestspielen legt Barrie Kosky in Georg Friedrich Händels frühem Meisterwerk die Mechanik der Macht offen

Macht macht einsam. Eben noch haben alle Protagonisten ins genretypische Jubelfinale eingestimmt. Jetzt sitzt Agrippina allein im Metallkasten, der die Bühne dominiert, während allmählich die Jalousien runtergehen. Aus dem Graben kommt melancholische Instrumentalmusik aus einem völlig anderen Händel-Werk. Müde blickt uns die Kaiserin an. Alles ist erreicht. Und jetzt?

„Agrippina“ von 1709 gehört zu den frühen Opern Georg Friedrich Händels – auf ein bemerkenswert eigenwilliges Libretto. Darin zieht die Mutter des Nero, Frau von Kaiser Claudius, alle Register der List und Intrige, um ihren Sohn auf den römischen Thron zu heben, obwohl es auch naheliegendere Anwärter gibt. Ein irrer, mitunter auch irre komischer Krimi der Macht, in dem die Männer mit der unteren Körperregion denken und die Frauen die Strippen ziehen.

Rebecca Ringst hat einen dunklen Kubus auf die kahle Bühne des Prinzregententheaters gebaut. Machtarchitektur, die sich teilt, häutet, neu zusammensetzt. Räume, hinter deren Jalousien sich frappierend viele Käfige und Schaufenster der Leidenschaften auftun. Klaus Bruns‘ Kostüme bedienen die Klaviatur der weiblichen Macht: All die Abendroben, Sommerkleider, Negligees sind Mittel der Repräsentation wie der Verführung. Als Agrippina auf der Zielgeraden ist, schlüpft sie in den gleichen Anzug wie der Kaiser. Ihre Eleganz ist futsch, dafür hört jetzt alles auf ihr Kommando.

Die Herausforderung der „Agrippina“ ist, dass sie keine Chöre und nur sehr wenige Duette und Ensembles besitzt, stattdessen spannungsreiche Rezitative und Da-capo-Arien am laufenden Meter liefert. Das sind zwar keine Ohrwürmer wie später in „Serse“, „Giulio Cesare“ und „Alcina“, haben es aber es dennoch in sich mit teils wilden harmonischen Wendungen und ordentlich Koloraturfeuer. Barrie Kosky stellt das alles so konsequent wie spielerisch sinnfällig in den Dienst der Erzählung. Die Inszenierung fällt für seine Verhältnisse geradezu kühl aus, konzentriert sich ganz auf die Machtmechanik und auf die Gefühle, die ihr in die Quere kommen.

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