Theaterkritik: Susanne Kennedy begeistert mit „Ultraworld“
Mit knallbuntem Bühnenbild und letzten Fragen gelingt der Regisseurin ein erstaunlich humorvoller Abend – ein Höhepunkt der Volksbühnen-Spielzeit.
Gott ist eine Frau. Manchmal ertönt nur Kate Strongs markante Stimme, manchmal biegt sie auch höchstselbst um die Ecke, um auf Franks Fragen zu antworten wie: Wozu bin ich hier? Frank, das ist hier die Hauptfigur, die einem Jedermann gleich in immer neuen Anläufen durch die gleiche Geschichte wankt. In fünf Variationen wird es ihm nicht gelingen, in einer dystopisch glühenden Welt Frau und Tochter vor dem Verdursten zu retten.
Nichts Geringeres als den Sinn des Lebens verhandeln Susanne Kennedy und ihr Bühnenbildner Markus Selg in „Ultraworld“ an der Volksbühne. Nach der esoterischen Zukunftsseifenoper „Women in Trouble“ und der begehbaren Installation „Coming Society“ (der allerdings jede Tiefe fehlte) baut sie wieder eine Mischung aus Zukunftsvision, Computerspiel, Alptraum und Philosophiegrundkurs. Diesmal aber zieht sie noch die Ebene des Theaters ein: Das Leben ist eine Bühne, auf der wir uns bewähren müssen. Calderón mit seinem „Großen Welttheater“ lässt grüßen. Aber auch die Schöpfungsgeschichte der Bibel wird zitiert und der chinesische Daoismus: Mehrfach wendet sich die Sonne an Frank, die das unveränderliche Schicksal repräsentiert und die nahelegt, dass das Nichthandeln (Wu Wei) die einzige Lösung ist.
Dazu passt, dass einmal mehr die meist englischen, deutsch übertitelten Stimmen vom Band kommen, während sich die Figuren auf der Bühne in festgelegten Bahnen bewegen – Avatare, deren Variationen offenbar so begrenzt sind wie die der Figuren in älteren Videospielen. An die erinnert die gesamte grobpixelige Ästhetik, die zugleich aber varianten- und bilderreicher wirkt als sonst. Schon der Beginn, eine Fahrt durch eine Art Geburtstunnel der (Vor-)Geschichte, ist schön hypnotisch. Der Bühnenraum selbst wirkt dann wie eine Mischung aus Projektionsfläche und Sitcom-Bunker. Hier spielen sich die „Test“ genannten Geschichten-Versuche ab, die deutlich gescriptet und programmiert sind: Mal verzerren die Stimmen, mal ruckelt die Handlung, mal versprechen sich die Figuren. Nur: Ist jetzt alles ein Spiel, auch Gott, auch die Sonne? Oder nur die Kernhandlung? Hübsch verwirrend zudem, dass hin und wieder in den Bildschirmen an den Wänden virtuelle Zuschauer aufkreuzen mit niedlichen Tierköpfen und die Handlung kommentieren.
Ist also alles Mühen vergeblich? Nein. Denn Kennedy zeigt mit Frank Willens einen Charakter, der an seinen virtuellen Ketten zerrt. Der sich der Aufgabe, Wasser zu organisieren, immer wieder aufs Neue stellt wie ein Sisyphos. Der den wenigen Spielraum der virtuellen Anlage mit äußerster Körperspannung und genau dosierter Mimik nutzt. Und der im geradezu hollywoodkitschigen Finale die Grenzen des Raums sprengt und über die Hinterbühne stolpert, die zumindest ahnen lässt, dass das hier noch nicht alles gewesen ist an Sinnstiftung und Spielaufgaben.
Sind wir nun Gestalter unseres Schicksals oder nur Ausführende eines größeren Plans? Das bleibt angenehm offen in diesem erstaunlich ironischen, humorvollen Abend – der der eher trägen Volksbühnen-Spielzeit einen ersten Höhepunkt verschafft.