Theaterkritik: Freddy Krueger will nicht mehr
Der chilenische Regisseur Marco Layera und die Gruppe La Re-sentida zeigen „Oasis de la Impunidad“ beim F.I.N.D.-Festival an der Schaubühne
Nach gut eineinhalb Stunden blendet plötzlich ein Scheinwerfer auf die nackte Frau im Parkett. Ein Performer hatte sie zuvor umständlich durch die Reihe getragen und dort abgeladen wie einen Sack. Die Frau ist tot, gestorben am Schmerz um ihr totes Kind und an der Gewalt der anderen. Jetzt, im Scheinwerferlicht, sagt ihre Stimme vom Band, dass wir, klar, hinterher applaudieren können. Nur wird es nichts ändern: „Niemand hat gewagt, die Party zu beenden.“
Die Party, das ist in „Oasis de la Impunidad“ („Oase der Straffreiheit“) das gute Leben all der Mitläufer:innen einer Mittel- und Oberschicht, die es denen an der Spitze erst ermöglichen, Macht auszuüben. Sie alle porträtiert Regisseur Marco Layera im neuen Abend der chilenischen Gruppe La Re-sentida, der beim F.I.N.D.-Festival an der Schaubühne internationale Premiere feierte. Die Gruppe ist hier wohlbekannt: Mit Tratando de hacer una obra que cambie el mundo erzählte sie 2014 rasant und witzig von der (Un-)Möglichkeit, politisches Theater zu machen. La imaginación del futuro 2015 war ein etwas verunglückter Versuch, die Utopien der Allende-Jahre mit der Medienwelt der Gegenwart kurzzuschließen. Dafür gelang der Gruppe 2019 mit Paisajes para no colorear eine Arbeit über Machismo und männliche Gewalt, der dazu gemacht war, einem im Verlustfall den Glauben ans Theater zurückzugeben.
Mit „Oasis de la Impunidad“ hat Layera nun einen genau choreografierten, äußerst wortkargen Abend geschaffen, der in sich verdrehte, vor lauter Anpassung verrenkte Menschen zeigt, seelenlose Puppen, wie fremdgesteuert. Einmal steht ein Performer zur pulsierenden Club-Musik nackt vor uns, kneift sich mit einer Zange in Wange, Kinn, Lippen, reißt sich dann damit die Zähne aus und lässt sie knackend vor unseren Augen zerspringen. Ein anderer zerrt und quetscht an seinen Genitalien, eine dritte pult sich nur langsam das alles zerschneidende Fadennetz aus dem Gesicht.