Filmkritik: Im Körper der Anderen
In ihrem Langspielfilmdebüt fragen Alex und Dimitrij Schaad mit einem Cast aus hervorragenden Theaterschauspieler:innen danach, was einen Menschen ausmacht. Und finden überraschende Antworten.
Was ist denn nun mit dem Körper und der Seele? Verliebt man sich in einen Geist oder ein Geschlecht? Fragen, die Alex Schaad in seinem Langfilmdebüt „Aus meiner Haut“ aufgreift. Das Drehbuch, gemeinsam mit seinem Bruder Dimitrij geschrieben, umkreist einen Debattenhauptstreitplatz der westlichen Welt heute: Identität. Und das auf eine äußerst clevere Weise. Denn was da zunächst Arthouse-realistisch einherschlendert, biegt bald scharf um die Science-Fiction-Ecke: Auf einer Insel im Meer, halb alternatives Paradies, halb Toteninsel, treffen sich rund um ein altes Gutshaus Gleichgesinnte, um – für eine kurze Zeit – die Körper miteinander zu tauschen.
Wir begegnen dieser Gegenwelt mit den naiven Augen Tristans, können uns gerade dank seines Befremdens einrichten in dieser Welt. Jonas Dassler spielt ihn als äußerst sanftmütigen Mann, der lieber das Gefühl in den Armen verliert, als seine schlafende Freundin aufzuwecken. Für die schwer depressive Leyla aber ist die Insel eine Verheißung. Schon im Vorspann sehen wir sie unter Wasser, atem- und bewegungslos erstarrt. Vom Körpertausch erhofft sie sich einen Ausweg aus ihrem Traurigkeitskerker. Es ist die letzte Chance, denn Leylas Freundin Stella, die jetzt im Körper ihres kürzlich gestorbenen Vaters steckt und nun die Inselgemeinschaft leitet, will dessen Guru-Rolle nur diesen Spätsommer lang spielen (Edgar Selge tastet sich ganz sanft an diese junge Frau im gealterten Männerleib). Leyla nutzt ihre Chance, auch wenn Tristan zögert: „Wir sind uns doch schon einig, dass das alles total strange ist!?!“, sagt er. Stimmt.
Es sind Momente wie diese, völlig durchlässig gespielt, die dem magischen Realismus des Films seine Erdung verleihen, zusammen mit der Landschaft, den alten Gebäuden, halb Ostseeurlaub, halb Berliner Hinterhof-Fest. Derweil erinnern sowohl der turmartige Verwandlungstempel mit seinem Ritualbad als auch Richard Ruzickas sehnsüchtiger Sound zwischen Gregorianik und zeitgenössischer Chormusik daran, dass es um Gewaltiges geht. Dem Paar wird zum Tausch ein sehr ungleiches zugelost, Fabienne und Mo, sie lebenslustig und neugierig, er breitbeinig und laut; man fragt sich schon, was die beiden mal zusammengeführt hat.