Kommentar: Vor aller Augen

Kommentar: Vor aller Augen

Das dreiköpfige Leitungsteam des Berliner Theatertreffens muss nach nur einem Jahr Amtszeit den Posten räumen. Künftig kehrt das renommierteste Theaterfestival Deutschlands wieder zur Einzelspitze zurück. Die entscheidenden Fehler wurden jedoch auf anderer Ebene gemacht.

Nun also zurück auf Los: Das Berliner Theatertreffen bekommt ab Anfang 2024 mit Nora Hertlein-Hull erneut eine „alleinverantwortliche“ Einzelleitung, wie es in den 60 Jahren davor die Regel war. Nach nicht einmal einem Jahr, in dem sich zunächst Olena Apchel, Marta Hewelt, Carolin Hochleichter und Joanna Nuckowska zu viert, später – nach Hewelts Rückzug – zu dritt um Reformen des Festivals bemühten, wurde jetzt der gesamte Versuch abgeblasen.  

Überraschend kommt das nicht. Das Experiment eines kollektiven, internationalen Leitungsgremiums warf von Anfang an Fragen auf, die Christian Rakow in seinem Kommentar zur Ernennung der neuen Leitung formulierte: „Ist denn ein Dialog bezweckt? Oder doch eher eine Verschmelzung, eine Ersetzung womöglich? Soll auch die Jury über die Grenzen der deutschsprachigen Lande hinaus tätig werden? Wie praktikabel wäre das?“ Man hätte es auch so formulieren können: Wozu so viel geballte Kuratorinnenkompetenz auf einem Job, der eher organisatorisch ausgerichtet ist? Sollte hier Grundsätzliches verändert werden?

Zudem sprach aus dem Interview mit Festspiele-Intendant Matthias Pees, das Christine Wahl im vergangenen Sommer führte, eine Vorläufigkeit, ein Experimentcharakter, der stutzig machte: Konnte es sein, dass die Pläne für das am stärksten wahrgenommene Theaterfestival im deutschsprachigen Raum derart als Versuchsanordnung gedacht und ein Scheitern immer einkalkuliert war?

Weiterlesen…