Theaterkritik: Im Kunstdiskurs verheddert
Gob Squad lassen sich für ihre neue Bühnenkreation von Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ inspirieren
Gob Squad kommen in die Midlife-Krise. Seit 25 Jahren stehen die Mitglieder der deutsch-britischen Performancegruppe auf der Bühne, sind jetzt alle Ende 40. Was macht das mit einem, wenn man nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht so richtig alt ist? Das fragen sie in „Creation (Pictures for Dorian)“ im HAU 2.
Mit der Vergänglichkeit, dem Wunder der Jugend und damit, wie sich Perspektiven verändern, haben sie sich schon einmal auseinandergesetzt, in ihrem wunderbaren, äußerst berührenden Abend „Before Your Very Eyes“, in dem sie Kinder ihr eigenes Erwachsenwerden haben spielen lassen. Eine Produktion, die völlig zu Recht 2012 zum Theatertreffen eingeladen wurde. Jetzt haben sie sich von Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ inspirieren lassen: Dorian bleibt äußerlich ewig jung, weil statt seiner ein Gemälde altert. Also bauen die Gob-Squad-Performer (bei der Premiere sind das Sharon Smith, Berit Stumpf und Simon Will) mit „Berliner Gästen“ immer neue Kunstwerke, lebende Bilder: Mal lassen sie die drei Vertreter der Jugend über einen imaginären Laufsteg schreiten, dann stellen sie sie ihren alten Pendants gegenüber.
Diesen Bildern, von Kameras eingefangen und auf die Bühnenrückwand projiziert, geben sie lange, ambitionierte Titel, reflektieren über die Aufteilung von Kunstwerk, Künstler und Zuschauer: „Weidet eure Augen an uns, gebt uns eure Aufmerksamkeit, das ist euer Job.“
Nur fällt genau das zunehmend schwer. Denn während sich Gob Squad in ihrem Kunstdiskurs verheddern, bleibt die Erzählung über das Altern, die Wunder der Jugend und die Schönheit der Erfahrung blass, ja banal. Einmal konfrontiert Stumpf sich und zwei Berliner Gäste mit Aussagen wie: Ich will ewig jung bleiben. Ich will möglichst alt werden. Wir sind noch nicht fertig. Wer von den dreien zustimmt, blickt nach vorne, wer es anders sieht, wendet den Kopf. Das ist alles ganz nett, aber nicht gerade tiefsinnig – und nur selten unterhaltsam. Ein paar schöne Momente gelingen zwischen großen Spiegeln und Bilderrahmen, derweil im Hintergrund Blumen unterm Heizstrahler verwelken. Während sich die drei Gob-Squad-Performer aber penetrant in den Vordergrund spielen, erfährt man über die Gäste viel zu wenig.
Einmal darf Dieter Rita Scholl, West-Berliner Drag-Urgestein, im Schnelldurchlauf von den 50ern, 60ern, 70ern, 80ern erzählen, deutet Kämpfe und Siege an und wirkt auch sonst ziemlich mit sich im Reinen. Tänzerin Beatrice Cordua macht heute noch krassere Sachen als früher. Schauspielerin Susanne Scholl berichtet, wie sie mal in Karlsruhe die Iphigenie spielte, gegen den Willen des Intendanten. Da blitzen so viel Mut, Können, Erfahrung auf, dass ihre jungen Pendants dagegen verblassen. Was dann doch eine versöhnliche Erkenntnis dieses ansonsten erstaunlich bisslosen Abends ist.