Theaterkritik: Ein Rausch in Rosa
Zwischen Märchenhütte und Shakespeare-Parodie: In „As You Fucking Like It“ klopft Regisseur Bastian Kraft am Deutschen Theater Shakespeares Komödie „Wie es euch gefällt“ auf Identitätsfragen ab.
Es könnte alles so einfach sein: Rosalinde liebt Orlando, Orlando liebt Rosalinde. Nur sind die politischen Verhältnisse kompliziert. Deshalb muss Rosalinde – als Tochter des abgesetzten Herzogs – in den Wald von Arden fliehen. Weil das als Frau gefährlich ist, verkleidet sie sich als Mann und nutzt gleich die Gelegenheit zu überprüfen, ob Orlando sie wirklich liebt, indem sie mit ihm – als Junge Ganymed – durchspielt, wie Orlando sich verhalten würde, wenn sie Rosalinde wäre.
Drumherum tummeln sich in William Shakespeares Komödie „Wie es euch gefällt” jede Menge anderer Figuren, die sich am Ende wundersam zu Paaren gruppieren. Während lange in der Schwebe bleibt, wer was für wen empfindet und vor allem, ob sich die Figuren jetzt in eine Frau, einen Mann oder vielmehr eine Vorstellung von Liebe verlieben, bleibt nun nichts mehr der Fantasie überlassen.
Hier setzt Regisseur Bastian Kraft an, der seit Jahren am Deutschen Theater Stoffe auf ihre Identitätsfragen hin abklopft. Zuletzt in „Ugly Duckling“, eine halbbiografische Spurensuche entlang von Hans Christian Andersens Märchen „Das hässliche Entlein“ und „Die kleine Meerjungfrau“, in denen DT-Spieler und echte Dragqueens auf der Bühne standen.
Dragqueens gibt’s in „As You Fucking Like It!” keine, aber dafür viel Drag, also Schminke, Kostüme, Geschlechterwechsel. Dafür heben sich Vorhang um Vorhang; auf der Bühne steht neben Schminktischen, Kleiderstangen und Leinwänden noch mal ein Puppentheater. Kraft und sein Bühnenbildner Peter Baur haben sich vom berühmtesten Zitat des Stücks anregen lassen: „Die ganze Welt ist eine Bühne, und alle Fraun und Männer bloße Spieler“.
Hier erscheinen Regine Zimmermann, Caner Sunar und Lisa Hrdina in rosafarbenen Kostümexplosionen von Jelena Miletić, die Frauen mit Bart, die Männer mit Liedschatten, und stellen die großen Identitätsfragen des Stücks. Eigentlich sollte auch Helmut Mooshammer dabei sein, der erkrankt ist – also sprang zur Premiere der Regisseur selbst ein.
In den zahlreichen Videos sieht man Mooshammer dennoch. Denn der Clou des Abends ist, dass auf den Leinwänden die Figuren des Stücks auftreten wie aus einem DEFA-Märchenfilm entsprungen (die Maskenbildnerinnen und Maskenbildner des DT durften sich hier hemmungslos austoben und kommen völlig zu recht auch zum Schlussapplaus raus), während die Schauspieler auf der Bühne mit Knopf im Ohr dazu die Texte lippensynchron mitsprechen.
Das ist ein großes Drag-Spektakel irgendwo zwischen Märchenhütte und Shakespeare-Parodie, in die sich die Spieler mit größter Lust stürzen. Damit niemand die Orientierung verliert, ordnen sie die Situationen ein, rahmen die eher an- als ausgespielten Szenen. Derart mitinszenierte Programmhefttexte sind nichts Ungewöhnliches, zumal man wirklich etwas erfährt, etwa über die entspannten Geschlechtsvorstellungen der Elisabethaner. Und ja, man hört den Text anders, wird sensibler für Zuschreibungen von Männlichkeit und Weiblichkeit im Text.
Aber zusammen mit Theatermetaphern, Kostümwut und Dauerironie verstärken sie das Gefühl, einer großen Parodie beizuwohnen. Die hat ihre Momente zuverlässiger Komik. Nur ertappt man sich bald dabei, sich nach einer Prise echten Gefühls, echter Leidenschaft zu sehnen. Die blitzen in den – um- und weitergedichteten – Strophen des Identitätssuche-Songs „Blue“ aus dem DDR-Filmklassiker „Solo Sunny“ auf. Der Rest an Emotionen wird im Telenovela-Format abgehandelt. Schade.