Theaterkritik: Auf der Suche nach der perfekten Pommes
Bettina Rehm inszeniert Fabienne Dürs Stück an der Vagantenbühne als sehenswerten Abgehängten-Blues: „Gelbes Gold“
Wie kriegt man die perfekten Pommes hin? Knusprig, golden, nicht zu fettig? Daran tüftelt Fritz schon seit Jahren in seiner Frittenbude. Währenddessen geht um ihn herum in der ostdeutschen Provinz, zwei Autostunden von Berlin entfernt, alles den Bach runter. Die Leute ziehen weg und für das, was kommt – ein Outlet-Center –, werden die nahezu leeren Plattenbauten abgerissen. Die letzten Mieter müssen raus, darunter Fritz und Mimi. In diese Tristesse platzt Ana, Fritz‘ Tochter, die in der großen Stadt studiert und entsprechend argwöhnisch beguckt wird: Ist sie etwa was Besseres?
Was zunächst halbwegs deprimierend klingt, hat ziemlich viel Humor in Fabienne Dürs Stück „Gelbes Gold“. Dür hat Szenisches Schreiben an der Universität der Künste studiert. Ihr Erstlingswerk wurde zum renommierten Heidelberger Stückemarkt eingeladen und vor wenigen Tagen in Kassel uraufgeführt. Dass die Vagantenbühne es aufs Programm setzt, liegt sicher daran, dass Dür hier als Dramaturgin arbeitet.
Aber eben auch an den unbestreitbaren Qualitäten des Stücks. Zwar ist die Grundidee – dass jemand zurück an den Ort seiner Kindheit geht und sichtbar macht, was sonst im Alltäglichen verborgen bleibt – nicht neu. Allerdings hat Dür für ihre Geschichte Figuren geschaffen mit Ecken und Kanten, die einem alle ans Herz wachsen. Man versteht, warum Fritz sich in seine Suche nach den perfekten Fritten in den Rausch schuftet wie einst die Goldsucher im Westen Amerikas (darauf spielt ja auch der Titel an). Man begreift, warum Fritz‘ Geliebte und Mitarbeiterin Mimi mit diesem Wahn hadert und eine viel pragmatischere Vision von Glück hat (eine Wohnung mit Balkon zum Beispiel). Man ahnt auch, was Juli umtreibt, die nach der Schule im Dorf geblieben ist, als Kindergärtnerin arbeitet und ihre Sehnsucht mit Affären und Schnaps zu beruhigen versucht.
Nur Ana, die aus der Stadt zurückkommt, kurz vorm Abschluss das Studium abbricht und im Dorf eine andere Art von Sinn zu suchen scheint, bleibt rätselhaft. Sarah Maria Sander spielt sie als eine, die ziemlich wütend ist auf sich und die Welt, ein Trotzklumpen, der nur für kurze Momente den finsteren Blick öffnet. Erst am Ende wird sie weich, freundlich.
Regisseurin Bettina Rehm hat das als geradliniges Psychogram einer Gesellschaft angelegt, die wortwörtlich den Blues schiebt: Tiefkühltruhe, Dartscheibe, Stehtisch, alles ist auf Clara Wankes Bühne blau. Und dass Fritz und Mimi farblich aussehen wie Ketchup und Mayo, dürfte auch kein Zufall sein.
Dieses Augenzwinkern bei allem Grundernst vermitteln auch die Schauspieler: Felix Theissens Fritz schwitzt die Resignation trotz Gold-Pommes-Suche aus allen Poren. Sibylle Goggs Juli will deutlich mehr, als ihr die Gesellschaft zugesteht – und pendelt zwischen Abwehr und Aufbruch. Hannah von Peinens Mimi dreht manchmal etwas groß auf, steckt aber voll Mutterwitz. Regelmäßig steigen sie aus ihren Rollen aus und kommentieren als Lästerchor das Geschehen, zeigen, wie eng die Möglichkeiten hier sind. Wie man trotzdem seinen Weg finden kann, ohne sich zu verbiegen, davon erzählt dieser Abend auf sehr sympathische, direkte Art.